So übel werden viele Senioren abgezockt
Täglich melden sich mindestens drei Betroffene bei den Verbraucherschützern. Die Polizei warnt vor den Internet-Gangstern
NÜRNBERG „Ich bin total fertig und geschafft.“ Bei Franz Gebhardt (62) liegen die Nerven blank. Er ist Opfer einer üblen Internet-Abzocke geworden. Und er ist kein Einzelfall: Seit Wochen häufen sich die Klagen. Vor allem Senioren sind leichte Opfer für die üblen Geschäftemacher. Die Polizei schlägt Alarm...
Franz Gebhardt muss sich gegen Forderungen des Unternehmen Proinkasso aus Neu-Isenburg (Hessen) wehren. Es treibt schon seit einigen Monaten in ganz Franken sein Unwesen. Gisela Linke, Leiterin der Verbraucherzentrale Nürnberg: „Seit vier Wochen kommen täglich mindestens drei Betroffene zu uns.“ Die Polizei warnte bereits im Januar davor, sich auf Geldforderungen dieses Inkassobüros einzulassen. Sie schätzt, dass rund Tausend Rechnungen an Bürger verschickt wurden. Auch SPD-Stadträtin Renate Blumenstetter wurde Opfer einer solchen Abzocke.
Die Masche ist jedes Mal die gleiche: 4,99 Euro werden vom Girokonto abgebucht, weil sich die Kontobesitzer angeblich im Internet auf der Gewinnspielseite LottoWin24.com angemeldet haben sollen. Holen Betroffene wie Franz Gebhardt über ihre Bank das Geld zurück, flattert ein paar Wochen später der Brief von Proinkasso ins Haus. Die Forderung dann: 131,09 Euro. Leisten die „Schuldner“ nicht Folge, droht Proinkasso mit Mahnbescheiden und Zwangsvollstreckung.
Für bislang unbescholtene Bürger ein Schock. Auch Irmgard Brunner (64) aus Nürnberg ist in die Fänge der Internet-Abzocker geraten: „Ich habe nichts getan und jetzt schlaflose Nächte.“
"Der Adressen- und Datenhandel blüht wie kaum zuvor"
Ein weiterer verdächtig großer Zufall: Alle angeblichen Kunden sollen sich am selben Tag und sogar zur selben Uhrzeit angemeldet haben – dem 15. Januar um 17:48:12 Uhr! Auch Monika Mikosch (64) soll zu diesem Zeitpunkt ein Angebot angeklickt haben. Dabei hat sie nicht einmal einen Computer!
Doch wie kommt Proinkasso an Adresse und Kontodaten? Wieso kann eine Firma einfach ohne Einzugsermächtigung Geld von Konten einziehen? „Der Adressen- und Datenhandel blüht wie kaum zuvor“, so Andreas Mayer, Geschäftsführer der Zentralen Kriminalprävention der Polizei. Die Gefahr des Datenmissbrauchs bestehe grundsätzlich „bei jeder Verlosung, jedem Glücksspiel, Kreditkartenkauf und ähnlichem“. Sein Rat: „Geizig mit den eigenen Daten umgehen und immer das Kleingedruckte lesen! Je verlockender ein Angebot klingt, desto misstrauischer muss man sein.“
Der Bankeinzug stellt auch keine Hürde dar. Verbraucherschützerin Gisela Linke: „Die Banken kontrollieren nicht mehr bei jeder Abbuchung, ob eine Einzugsermächtigung vorliegt.“ Die Massen seien nicht mehr zu bewältigten. Deshalb empfiehlt sie: Regelmäßig und in kurzen Abständen die Kontoauszüge kontrollieren! Binnen sechs Wochen kann man das Geld gegebenenfalls zurückholen.
Auf jeden Fall sollten sich Opfer der dreisten Abzocker an die Polizei wenden. „Nur dann“, so Polizeiexperte Andreas Mayer, „können wir handeln.“
Marlina Pfefferer
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