So sollen Terror-Kids anständig werden

Auf ein Segelschiff oder den Bauernhof in Polen - Jugendamt entscheidet über die Maßnahmen
von  Abendzeitung
Rund 72 jugendliche Intensivtäter bereiten den Nürnberger Behörden Sorgen.
Rund 72 jugendliche Intensivtäter bereiten den Nürnberger Behörden Sorgen. © dpa

Auf ein Segelschiff oder den Bauernhof in Polen - Jugendamt entscheidet über die Maßnahmen

So sollen Terror-Kids anständig werden Auf ein Segelschiff oder den Bauernhof in Polen - Jugendamt entscheidet über die Massnahmen NÜRNBERG Jeder zehnte Jugendliche in Nürnberg taucht als Straftäter im Polizeicomputer auf. Diese Zahl hört sich jedoch schlimmer an, als sie tatsächlich ist. In den meisten Fällen handelt es sich um altersbedingte Einmal-Ausrutscher auf der untersten kriminellen Ebene. Richtige Sorgen bereiten dagegen die derzeit 72 hiesigen Intensivtäter (AZ berichtete). Einige von Ihnen, die bereits 50 oder noch mehr schwere Straftaten auf dem Konto haben, sind noch nicht mal 14 Jahre alt.

Mit 14 Jahren 50 Straftaten auf dem Konto

"Der Aufwand, den wir betreiben, um heranwachsende Straftäter wieder in das normale gesellschaftliche Leben zurückzuführen, ist enorm", sagt Eberhard Olbricht, der zuständige Experte vom Jugendamt. Die Aktivitäten, die von beratenden Gesprächen bis bin zur zwangsweisen Unterbringung in geschlossenen Heimen reichen können, verschlingen Unsummen. Internen Berechnungen zufolge wird die Millionengrenze weit überschritten. Dazu kommen die Personalkosten für mehr als ein Dutzend Sozialarbeiter, die sich ausschliesslich um die auffälligen Jugendlichen kümmern.

"Positive Kicks" fern der Heimat

Eine der umstrittensten Massnahmen ist die so genannte Erlebnispädagogik. Fern der Heimat, getrennt vom gewohnten kriminellen Milieu, soll unter Anleitung ausgebildeter Sozialarbeiter und Pädagogen der positive Kick erfolgen. Olbricht: "Es geht darum, Eigenständigkeit und ein ausgeprägtes Sozialverhalten zu lehren. Das bringt auf lange Sicht mehr als ständige Haftstrafen."
Das Nürnberger Jugendamt schickt die Terror-Kids zum Beispiel in ein abgelegenes Gebiet in Polen, wo sie auf einem Bauernhof Arbeiten verrichten müssen. Aber auch die Arbeit auf einem Segelschiff halten die städtischen Experten für hilfreich, um straffällige Jugendliche zu disziplinieren. Die direkten Kosten für jeden Jugendlichen liegen bei rund 100 Euro täglich. Dazu kommt der Aufwand für die Betreuer. Bayerns Justizministerin Beate Merk hält wenig von solchen Massnahmen: "Eine Therapie im Ausland kann allenfalls in ganz seltenen Ausnahmefällen das richtige Rezept für jugendliche Intensivtäter sein."

"Manchmal gehörten die Eltern mit auf die Anklagebank"

So knallhart ist das Nürnberger Jugendamt nicht. Entscheidender ist nach Olbrichts Einschätzung, dass bereits frühzeitig in die Familien eingegriffen wird, um derartigen Entwicklungen vorzubeugen. In vielen Fällen wird nach Ansicht des Experten durch Erziehungsunfähigkeit der Eltern die Basis für die kriminelle Karriere ihrer Kinder gelegt. "Manchmal", so Olbricht, "gehörten die Eltern eigentlich mit auf die Anklagebank."
Dessen ungeachtet hat das Jugendamt das erlebnispädagogische Programm reduziert. Olbricht: "Am Anfang war es eher ein Experiment." Mit teuren Folgen. So kam in einer Gerichtsverhandlung heraus, dass für die Betreuung eines einzigen Mädchens, das gleich mehrfach im Ausland war, mehr als eine halbe Million Euro aufgewendet worden war - ohne, dass Besserung erkennbar wurde.
Kein Einzelfall. Aus einer interne Liste des Jugendamtes ging hervor, dass der grössere Teil der straffälligen Jugendlichen wieder rückfällig wurde. In einem Fall planten vier in ein Camp nach Spanien verbrachte Jugendliche den Mord an einem Erlanger Rentner (den sie dann auch ausübten).
Daraus hat man gelernt. Das Programm wurde reduziert, die Jugendlichen gezielter ausgesucht. Mit Erfolg, wie Olbricht versichert. "Die Rückfallquote liegt nur noch bei etwa 50 Prozent." Dies sei ein guter Wert. H. Reister

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