So leicht war der Millionen-Betrug

Neue Details im Skandal um reformierte Kirche: Eine Briefkastenfirma reichte für die Täuschung aus - der Rest erledigte sich von selbst.
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Der Schaukasten der Zentrale der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern vor der Kirche St. Martha in Nürnberg.
AP 2 Der Schaukasten der Zentrale der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern vor der Kirche St. Martha in Nürnberg.
Post an Steuerberater Günther H. (kl. Foto) kann nicht mehr zugestellt werden. Er sitzt seit Freitag in U-Haft.
abendzeitung 2 Post an Steuerberater Günther H. (kl. Foto) kann nicht mehr zugestellt werden. Er sitzt seit Freitag in U-Haft.

Neue Details im Skandal um reformierte Kirche: Eine Briefkastenfirma reichte für die Täuschung aus - der Rest erledigte sich von selbst.

NÜRNBERG Unfassbar, wie einfach Steuerberater Günther H. (67) die evangelisch-reformierte Kirche Bayerns um das gesamte Vermögen (insgesamt rund zehn Millionen Euro) erleichtern konnte. Dazu genügten ihm eine Briefkasten-Firma, ein Aktenordner und ein paar Überweisungsformulare. Der Rest erledigte sich von selbst.

Richtig auf den Geschmack kam der Finanzchef der Religionsgemeinschaft (10.000 Mitglieder), als sein erster Angriff auf die Kirchenkassen wie ein Kinderspiel über die Bühne gegangen war. Das war Anfang 2004. Ohne weitere Rückfragen hatte er 2,6 Millionen Euro, die er als Darlehen tarnte, an eine Nürnberger Firma transferiert, die ihn zum Teil selbst gehörte. Diese Eigenmächtigkeit stieß bei der Kirchenleitung zwar auf Naserümpfen, wurde aber im Nachhinein genehmigt. Von da ab war der Bann gebrochen.

Dubiose Konten in der Türkei

Mit der gesetzlich vorgeschriebenen finanziellen Mindestausstattung von 25000 Euro gründete er die Firma MESA 2000 GmbH, deren Sitz rein zufällig mit seiner Steuerkanzlei in der Sulzbacher Straße identisch war. Das lediglich auf dem Papier bestehende Unternehmen, das angeblich ganze Müllverbrennungsanlagen konzipieren und errichten würde, aber nie mit irgendwelchen Aktivitäten in Erscheinung trat, war die Grundlage für sein kriminelles Millionen-Spiel.

Mitte Mai 2005 überwies er vom Kirchenkonto exakt 2.275.559,50 Euro auf das Konto seiner eigenen Scheinfirma. Reaktionen von Seiten der Kirchenoberen gab es nicht.

Weil das so reibungslos geklappt hatte, schaufelte er Anfang 2006 weitere 918.926 Euro aus dem Restguthaben der Kirche auf das MESA-Konto. In der Jahresrechnung deklarierte er die Umschichtung als „Fürst Fugger Wertpapier-Depot 2“ – und kam damit anstandslos durch.

Anfang 2007 genehmigte er sich selbst Barauszahlungen und tätigte Überweisungen auf dubiose Konten in der Türkei. Gesamtsumme: mehr als eine Million Euro.

Mitte 2007 bediente er erneut die Konten seiner Tarnfirma aus der Kirchenkasse – mit 957.624 Euro.

Die letzte Transaktion fand am 7. März 2008 statt. Weil zu diesem Zeitpunkt bereits kein Barvermögen der Kirche mehr vorhanden war, leitete er 300.000 Euro Kirchensteuer, die die evangelische Landeskirche ihren Glaubensbrüdern zur Verfügung stellte, direkt auf das MESA-Konto.

Kirchenchef Joachim M. glaubte noch bis zum Freitag vergangener Woche, dass alles mit rechten Dingen zugehe. Doch an diesem Tag wanderte sein Finanzchef Günther H. ins Gefängnis. H. Reister

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