So geht Nachhaltigkeit: Kleine Rösterei aus Bayern könnte Vorbild für Tchibo und Co. sein
Murnau – Im Vergleich zu den Giganten der Industrie wie Tchibo, Dallmayr oder Lavazza ist die Murnauer Kaffeerösterei ein Winzling. Dennoch hat es der oberbayerische Anbieter des Genussmittels geschafft, in kürzester Zeit ein Konzept zu entwickeln, das die Einhaltung der umfassenden Entwaldungsverordnung der Europäischen Union (EUDR) garantiert. So könnte der Betrieb zum Vorbild für die anderen Marktteilnehmer werden – eben auch für die ganz großen.
Bald Kaffeemangel? EU-Verordnung sorgt für Aufschrei beim Deutschen Kaffeeverband:
Bis Ende dieses Jahres müssen alle entsprechenden Unternehmen in der EU die im Juni 2023 in Kraft getretene Anweisung umsetzen. Diese verlangt von Betrieben künftig eine Erklärung, dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Das gilt für Rohstoffe wie Kaffeebohnen, Soja oder Holz. Auch bestimmte Folgeprodukte wie Schokolade, Leder oder Möbel sind erfasst. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss mit Strafen in Höhe von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes in der EU rechnen.
Der Aufschrei des Deutschen Kaffeeverbandes (DKV) war groß (

AZ berichtete). Die Interessenvertretung der deutschen Kaffeewirtschaft sehe durch die Verordnung die Versorgung mit dem Genussmittel in Deutschland nicht mehr sicher gewährleistet, beklagt der DKV in einer Mitteilung im März. Die Zeitspanne bis Ende 2024 sei zu kurz für den großen bürokratischen Aufwand.
Die Murnauer Rösterei und deren Geschäftsführer Thomas Eckel haben sich von der Mega-Verordnung nicht einschüchtern lassen. Schnell haben sich Eckel und sein Team an die Arbeit gemacht und ihre Produktion so umgestellt, dass sie schon jetzt eine vollumfänglich entwaldungsfreie Lieferkette garantieren können. Bereits im Februar konnte somit der erste Container mit Kaffee, der alle Anforderungen der EUDR erfüllt, seinen Weg nach Deutschland finden. Das oberbayerische Unternehmen ist gerade auf dem Weg, sein Konzept zu perfektionieren, so dass es im besten Fall für alle Kaffeeröstereien anwendbar sein wird.
Murnauer Kaffeerösterei beobachtet mögliche Waldrodung über Satellitenbilder
Das Konzept basiert auf fünf Bestandteilen, die Teil der EU-Entwaldungsverordnung sind: die Entwaldungsfreiheit, die Sorgfaltspflicht, die Risikobewertung und -minimierung sowie die Berichterstattung. Die umfassendsten Punkte sind die ersten Beiden. Die Entwaldungsfreiheit an sich zu garantieren, sei jedoch keine allzu große Herausforderung, sagt Eckel der AZ. Um diese aufzuzeigen, würden etwa Satellitenbilder ausgewertet, die die Entwicklung der Flächen genau überwachen können. Dafür gebe es entsprechende Programme und Daten. Die Murnauer Kaffeerösterei arbeitet mit dem Softwarehersteller Dimitra zusammen, der die Anforderungen der EUDR in sein System integriert und überprüfbar gemacht hat.
"Habe mittlerweile Gesetzestexte von 15 Ländern im Büro"
Komplizierter werde es hingegen bei der Sorgfaltspflicht. Unternehmen müssen den Prüfern der EU zusichern, dass alle relevanten Rechtsvorschriften, wie Arbeitnehmerrechte, Umweltschutzauflagen oder andere Bestimmungen im Erzeugerland eingehalten werden. Erst einmal müssten Marktteilnehmer die jeweiligen Rechtsordnungen überhaupt überblicken. "Ich habe mittlerweile Gesetzestexte von 15 Ländern im Büro", sagt Eckel. Doch das bedeute nicht, dass jeder Kaffeeröster diese nun auswendig kennen muss. Eckel nutzt hierfür Programme, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) die Bestimmungen in anderen Ländern auswerten und häufige Verstöße erfasst. Wird in einer bestimmten Region in Kolumbien zum Beispiel besonders häufig gegen die dort geltenden Mindestlohnregelungen verstoßen, kann ein Unternehmer gegebenenfalls damit rechnen, dass es auch bei seinen Produzenten vor Ort Unstimmigkeiten geben könnte. Die Risikobewertung und -minimierung soll laut der EUDR etwa Korruption identifizieren und verhindern. Auch hier wird mit KI-Programmen gearbeitet. Zusätzlich arbeitet die Murnauer Kaffeerösterei mit externen Prüfstellen wie Rainforest Alliance oder Bio Kontrollstellen zusammen.

Kleine Kaffeeröstereien im Vorteil? "Viele wissen nicht einmal wo ihr Kaffee herkommt"
Thomas Eckel glaubt, dass es gerade kleineren Kaffeeröstereien wie seiner einfacher fallen wird, die Bestimmungen einzuhalten. "In der Großindustrie wissen viele Kaffeeröster, die ansonsten keine anderen Zertifikate wie Fairtrade haben, nicht einmal, wo ihr Kaffee überhaupt herkommt", sagt er. "Genau die haben jetzt einiges zu tun." Die Kleinröster würden ihren Bauern vor Ort meistens ohnehin kennen und auch das Thema Nachhaltigkeit sei schon lange ein besonders wichtiges.
Grundsätzlich findet Eckel die EU-Entwaldungsverordnung daher eine gute Idee. "Viele Länder haben in der Hinsicht jahrelang nichts gemacht." Würde man die Aspekte alle in der Freiwilligkeit belassen, könne man damit rechnen, dass der Markt sie nicht umsetzt. "In Anbetracht der Klimaherausforderungen, die wir haben, macht auch die Schnelligkeit der Umsetzung Sinn", findet der Kaffeeröster. Mit den technologischen Möglichkeiten, die es heutzutage gibt, könne man zudem gewisse Sachen schneller einfordern. Auch die Befürchtungen des DKV findet Eckel übertrieben. An eine Verknappung oder einen großen Preisanstieg durch die Verordnung glaubt er nicht. "Die sehe ich eher aus dem Aspekt des Klimawandels heraus."
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