So erfolgreich könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht in Bayern werden

München - Erst Anfang des Jahres gegründet, Ende September schon in vier Parlamenten vertreten, womöglich vor Weihnachten Teil von zwei Regierungen. Kann das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) diese Erfolgsserie in Bayern fortsetzen? Darauf will es der ehemalige Linken-Politiker Klaus Ernst anlegen, der schon die WASG 2005 mitaufgebaut hat.
So sieht der BSW-Kernvorstand in Bayern aus
Er wird zusammen mit der Regensburger Stadträtin Irmgard Freihoffer den Vorsitz des bayerischen BSW einnehmen. Flankiert von den Stellvertretern Josef Ilsanker (Ex-Linker) und Margit Knoch (Gewerkschafterin) sowie den Schatzmeister Ernst Ohmayer (Finanzexperte) aus München.

Ernst sagt im Gespräch mit der AZ, wie klasse er es finde, aus welchen unterschiedlichen Gesellschaftskreisen die Parteimitglieder kommen: etwa Betriebsräte, Krankenschwestern oder Ingenieure. Stück für Stück wollen sie die etwa 100 Mitglieder in Bayern aufstocken - sie sollen demnach die Positionen teilen, die "die Identität der Partei ausmachen."
Laut Wagenknecht ist das BSW "links-konservativ"
Diese ist laut Wagenknecht und Ernst "links-konservativ". Doch linke Parteien haben es im Freistaat traditionell schwer. SPD und Grüne kommen gerade mal auf 49 der 203 Landtagssitze, die Linke ist gar nicht vertreten - war es auch noch nie.
Der auf Parteienwettbewerb spezialisierte Politikwissenschaftler Martin Gross von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagt dazu der AZ: "Das ist eine Gefahr für das BSW in Bayern, wenn es heißt, 'die sind links', denn links ist aus Sicht Vieler in der bayerischen Bevölkerung schlecht. Aber das kann auch eine Chance sein, dass viele Leute sagen, sie tendieren schon eher zu links in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen, aber in gesellschaftspolitischen Fragen sind sie traditionell konservativ und befürworten einen strikten Kurs bei der Einwanderung."
Linke Bayern: BSW ist "prokapitalistisch"
Wie links die Partei wirklich ist, lässt sich aufgrund des fehlenden Parteiprogramms auf Bundes- und Landesebene kaum beurteilen. Das sagt etwa Bernhard Stiedl vom Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern der AZ. Die Linke Bayern wird hingegen deutlicher und teilt der AZ mit: "Das BSW spricht insbesondere sogenannte mittelständische Unternehmen an. Es ist eine weitere prokapitalistische Partei."
Ernst sieht das so: "Wir wollen die Gewerkschaften stärken, damit wir anständige Löhne haben." Ihm zufolge nutzt die Wirtschaftspolitik des BSW den Unternehmen mehr als die der FDP und Union: Statt Steuersenkungen spricht er sich für "vernünftige Energiepolitik" aus, die die Nachfrage ankurbelt. Auch eine Ausbildungsinitiative sei im Freistaat nötig, sodass "wir wieder die Berufe haben, die wir brauchen".
Ernst: "Wir brauchen Regelung, wie wir die Zuwanderung regeln"
In Bayern müsse zudem das Bildungssystem überarbeitet werden, denn die soziale Herkunft spiele für den Abschluss im Vergleich zu anderen Bundesländern eine zu große Rolle. Und ebenso die Mieten will das BSW deckeln: Schmale Geldbeutel wegen zu hoher Wohnkosten dämpften die Nachfrage.
Größtenteils typisch linke Forderungen - mit Ausnahme der Migrationspolitik: "Wir brauchen eine Regelung, wie wir die Zuwanderung so regeln, dass sie wieder bewältigbar ist und nach geltendem europäischen Recht abläuft. Das ist nicht rechts, sondern eher konservativ", sagt Ernst.
"Da unterscheidet sich das BSW weder von AfD noch von den Freien Wählern. Auch Teile der CSU unterscheiden sich da nur in Nuancen", sagt Politikwissenschaftler Gross.
Politikwissenschaftler Gross: Stimmenklau bei AfD und Freien Wählern denkbar
Kann sich das BSW Bayern mit dieser Politik im politischen Wettkampf behaupten? Zumindest beim Europawahlkampf kam die Partei direkt auf 3,8 Prozent im Freistaat. Gross denkt, dass der Partei zum einen erfolgreich gelingt, Nichtwähler zu mobilisieren. Zum anderen hat sie das Potenzial, vor allem der AfD und den Freien Wählern Stimmen abzuknöpfen.
Wagenknecht statt Aiwanger als Stimmenmagnet
Der AfD, weil auch das BSW einen "Anti-Eliten-Diskurs" bediene und den Freien Wählern, weil der Wahlerfolg viel mit der Person Hubert Aiwanger zusammenhänge und Sahra Wagenknecht diese Funktion als populäre Figur für manche übernehmen könne. Laut dem ARD-Deutschland-Trend im Oktober sind nur Boris Pistorius (SPD) und Friedrich Merz (CDU) beliebter als die Ex-Linke.
Durch das BSW kommt laut Gross zwar verstärkt Populismus im Sinne von "das Volk gegen die Elite" in die Politik. Aber: "Alle Parteien haben populistische Elemente." AfD, Freie Wähler und auch die CSU wettern häufiger gegen "die da oben aus Brüssel oder aus Berlin". Das sieht auch die SPD Bayern so, die der AZ mitteilt: "Wie viel Bedarf noch nach einer weiteren populistischen Partei ist, wird sich zeigen."
Ernst sagt dazu: "Das Diffamieren gehört zum politischen Geschäft, aber das wird nicht klappen. Wir sind in Bayern bei den Umfragen bei fünf Prozent."
Gross: Keine Koalition zwischen CSU und BSW denkbar
Können sie die halten, schaffen sie den Sprung in den Landtag – vor der AfD 2018 ist das seit 1986 (Grüne) keiner anderen neuen Partei gelungen. Wie erfolgreich sich das BSW in Bayern festbeißen kann, lässt sich laut Gross aktuell nur schwer abschätzen.
Auf eine Koalition wie im Osten könne sie jedenfalls nicht hoffen - selbst wenn sich das Verhältnis der CSU zu den Freien Wählern verschlechtern sollte.