Skrupelloser Fall aus Franken: Das Geschäft mit der Angst

Das Geschäft mit der Angst älterer Menschen nutzen Betrügerbanden schamlos aus. Das zeigt nun ein weiterer Fall, diesmal aus Franken.
Helmut Reister |
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Falsche Polizisten rufen bevorzugt Senioren an - und spielen dann mit deren Angst.
Julian Stratenschulte/dpa Falsche Polizisten rufen bevorzugt Senioren an - und spielen dann mit deren Angst.

Sie geben sich als Polizisten aus, gehören straff organisierten Banden an und zocken betagte Menschen gnadenlos ab. Das kriminelle Geschäftsmodell, bei dem der Faktor "Angst" eine zentrale Rolle spielt, blüht.

Kürzlich ist ein 29-jähriger Kfz-Mechaniker, der einer der agierenden Gangs angehörte und an den skrupellosen Betrügereien beteiligt war, vom Landgericht Nürnberg zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Über seine Hintermänner, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in der Türkei sitzen, ließ er die Ermittler im Dunklen. Aber die Geschäftspraktiken der Bande wurden transparent.

Gerichtsprozess bringt die Methoden der Bande ans Licht

Zu den geprellten Senioren, die nahezu ihr gesamtes Vermögen verloren, gehört auch Babette Bauer (Name geändert). Sie ist 79 Jahre alt und dürfte beim Blick auf ihren Lebensweg den April 2018 als besonders "schwarzen" Monat betrachten. Damals wurde sie innerhalb weniger Tage ihr gesamtes Vermögen los – 185.000 Euro.

Unter dem halben Dutzend Opfern, deren Fälle sich in der Anklageschrift wiederfanden, war Babette Bauer aus Sicht der Täter ein vergleichsweise einfacher Fall, um an ihr Geld zu kommen. Bei ihr genügte ein Anruf unter der gefakten Polizei-Notrufnummer 110 und eine Märchenstunde über Einbrecher und Geldfälscher, die es auf sie und ihr Vermögen abgesehen hätten.

In anderen Fällen funktionierte den Ermittlungen zufolge das perfide Spiel der Abzocker nicht ganz so einfach wie bei ihr.

Weit entfernt von Logik und Realität – aber es funktioniert

Eine 78-jährige Frau zum Beispiel musste erst mit einer Droh- und Schreckenskulisse weichgeklopft werden. Unter anderem erklärte der "Polizist" am Telefon, dass ihr Sohn von Gangstern mit Maschinenpistolen angeschossen worden und ihr Haus umstellt sei. Ihr Geld, so die bizarre Darstellung des Betrügers, sei jetzt nur noch bei der Polizei sicher.

So weit entfernt von Realität und Logik wie dieses absurde "Geschäftsmodell" auch war – es funktionierte. Babette Bauer rückte 185 000 Euro heraus, die Mutter des "angeschossenen Sohnes" 70 000, eine Frau 30 000, andere Opfer ähnlich hohe Geldbeträge und Gold.

Eine 82-Jährige lieferte neben Gold und Bargeld im Wert von 20.000 Euro noch ihren Personalausweis, die Krankenversicherungskarte und ihre Jahres-Mobicard des Nürnberger Verkehrsverbunds ab.

Der zu viereinhalb Jahren Haft verurteilte Kfz-Mechaniker war nach den Feststellungen des Landgerichts innerhalb der Bande für das Abholen des Geldes bei den Opfern zuständig. Zu Gesicht bekamen ihn Babette Bauer und die Geschädigten aber nicht, genauso wenig wie andere am Betrug beteiligte Personen.

200.000 Euro unter der Fußmatte

In den Telefongesprächen hatten sich die Abzock-Opfer aus "Sicherheitsgründen" auch zu abenteuerlichen Übergabemodalitäten überreden lassen. Babette Bauer deponierte fast 200.000 Euro Bargeld in Briefumschlägen unter der Fußmatte vor ihrer Wohnung. Andere Opfer steckten die hohen Bargeldbeträge und das Gold hinter einen vereinbarten Stromkasten oder Autoreifen. Einmal reichte auch eine Papiertüte vor der Tür.

Die Hintermänner des lukrativen Betrugsgeschäfts konnten die Ermittlungsbehörden noch nicht ausfindig machen. Immerhin wurde herausgefunden, dass die Anrufe aus einem Internetcafé in Iszmir erfolgten. Nach Angaben der Nürnberger Staatsanwaltschaft laufen derzeit mehrere ähnliche Ermittlungskomplexe, in denen Spuren in die Türkei führen.

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