Sklavenarbeit! Razzia im Knoblauchsland
Die Rumänen mussten für 3,60 Euro die Stunde schuften und dann auch noch 25 Euro für den Kühlschrank zahlen. Jetzt zeigten sie ihren Arbeitgeber an.
NÜRNBERG Die Dusche steht vor Dreck, auf den einfachen Stockbetten aus Stahlrohr stapelt sich die Wäsche – so lebten bis vor kurzem zwei Dutzend rumänische Saisonarbeiter. Sie schufteten für einen Gemüsebauern aus dem Knoblauchsland unter sklavenartigen Bedingungen – für einen Stundenlohn von 3,60 Euro. Jetzt ermittelt die Justiz gegen den Landwirt.
„In den in gestapelten Containern untergebrachten Matratzenlagern mussten sich teilweise zwei Personen ein Bett teilen und zeitweise sogar auf warmes Wasser verzichten“, schildert Martina Stumpf, Pressesprecherin beim Hauptzollamt Nürnberg. Für die Nutzung des Kühlschrank verlangte der Bauer von jedem 25 Euro. „Und auch für die zur Verfügung gestellten Schuhe musste acht Euro hinterlegt werden.“ Nach Zeugenaussagen seien die eh kargen Löhne gekürzt worden, wenn die geerntete Ware wegen Fehlerhaftigkeit vom Großhändler nicht angekommen oder zu langsam gearbeitet wurde.
Der Landwirt gab bei seiner Vernehmung an, jeder Arbeiter hätte wöchentlich nur 30 Stunden gearbeitet. Die seien pauschal bezahlt worden. Die vier Rumänen, die sich an die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts gewandt hatten, erzählten den Beamten allerdings etwas anderes: Statt der vereinbarten fünf Euro hatten sie nur 3,60 Euro pro Stunden bekommen und mussten bis zu 16 Stunden am Tag arbeiten. „In einem Fall wurden angeblich 261 Stunden geleistet und nur 72 gezahlt“, erklärt Martina Stumpf.
Die aufgrund der schlechten Behandlung durch ihren Arbeitgeber teils sehr eingeschüchterten Arbeiterinnen hätten die Stundenaufzeichnungen teilweise am Körper getragen. „Sie gaben diese erst heraus, als sie verstanden, dass die Zollbeamten ihnen nur helfen wollten. Die meisten von ihnen wollten den Betrieb noch am nächsten Tag verlassen“, so Stumpf.
Die Straftat wird mit Haft bis zu fünf Jahren geahndet
Gegen den Arbeitgeber wurde ein Strafverfahren eingeleitet, da der begründete Verdacht auf die Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen besteht. Die Straftat wird mit Haft bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe geahndet.
Die Bauern sind nun in Sorge um ihren Ruf: Von den 100 Erzeugern im Knoblauchsland beschäftigen 60 bis zu 800 Saisonarbeiter, die Hälfte von ihnen kommen mit Bussen aus Rumänien, die anderen sind aus Polen und Bulgarien. Deutsche würden sich für die Knochenarbeit nicht finden. „Die Arbeitgeber müssen für die Unterkunft sorgen, die von amtswegen eigentlich immer untersucht werden“, erklärt Michael Brückner, Vorsitzender des Gemüseerzeugerverbandes Knoblauchsland.
Tariflich festgeschrieben sei ein Stundenlohn von 6,02 Euro, davon gehen Steuer und Sozialversicherung weg. „Den Arbeiter werden 4,40 Euro bar ausbezahlt.“ Normalerweise seien Unterkunft und Kühlschrank frei, bei den selbst produzierten Sachen könnten sich seine Arbeiter bedienen. „Wir sind auf diese billigen Arbeitskräfte angewiesen“, betont Brückner, „andere verlagern ihre Produktion nach China, um zu sparen. Wir können nun mal nicht im Ausland produzieren.“
Ein Großteil der osteuropäischen Saisonarbeiter sei aber wohl zufrieden mit den Arbeitsbedingungen in Deutschland. Brückners dienstältester Helfer kommt seit 17 Jahren zu ihm. „Manche bleiben zwei Monate, andere ein halbes Jahr“, erzählt Brückner. Mit Beginn der Saison steige jedenfalls immer der Wodka-Absatz bei der Tankstelle um die Ecke. „Manchmal ist die Zusammenarbeit nicht ganz einfach – aber meist klappt es ganz gut.“ Leider gebe es auch schwarze Schafe unter den Landwirten, die die Arbeiter ausnutzen. „Aber die sind die Ausnahme.“ Andrea Uhrig