Skandal um Flüchtlingsunterkunft: Bürgermeister in Bayern wird massiv bedroht – nun wirft er hin

Markt Schwaben - Bis Dienstagmittag bei der Übergabe im Rathaus sind es 590 Unterschriften geworden. Knapp zwei Stunden später haben 630 Bürger unterschrieben und bis Donnerstagabend sollen es noch mehr werden. Dann wird im Gemeinderat über den Rücktritt von Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) entschieden. Für ihn soll Schluss sein, hat er beschlossen. Denn der Bürgermeister kann nicht mehr. Doch einige Bürger versuchen den Rücktritt nun mit einem Offenen Brief zu verhindern.
Vorausgegangen ist ein Streit, der derzeit nicht nur in Markt Schwaben gekämpft wird, sondern viele Gemeinden und Kommunalpolitiker belastet: Der Landkreis Ebersberg hatte im Ort eine Flüchtlingsunterkunft geplant, zum Unwillen der Anwohner. Dafür kann der Bürgermeister zwar nichts, die Wut der Bürger bekam er aber dennoch ab. Stolze wurde massiv angefeindet und bedroht, meist anonym, wie Hilde Haushofer vom Aktivkreis "Markt und Menschen" der AZ sagt.

Streit um Flüchtlingsheim in Markt Schwaben: Die Bürgerinitiative sei nicht schuld
Sie ist eine der drei Initiatorinnen des Offenen Briefs. Auch eine Bürgerinitiative hatte sich mit einem Bürgerbegehren gegen das Flüchtlingsheim gewandt, das jedoch dann nicht zulässig war. "Die Initiative ist aber nun nicht der Buhmann", sagt Haushofer. So ein Thema kontrovers zu diskutieren, sei ja legitim. Es seien die anonymen Personen gewesen, "die ihn wegkriegen wollten".
Doch nicht alle Bürger sind gegen Stolze, wie sich nun herausstellt: Zuerst habe er einen "Shitstorm" bekommen, sagt Haushofer. Jetzt bekomme er einen "Candystorm". Mit vielen herzlichen Kommentaren.

Ob sie glaubt, dass ihn der Brief noch von seinem Beschluss abhalten kann? Haushofer ist da wenig positiv gestimmt. Er habe sich die Entscheidung überhaupt nicht leicht gemacht, meint sie. Stolze wolle das Amt ja eigentlich unbedingt machen, und wenn man dennoch so einen Entschluss fasst, habe man sich das schon reiflich überlegt. Er sei im Feuer gestanden und habe sich alleingelassen gefühlt, auch vom Marktgemeinderat. "Er ist ja auch nur ein Mensch."
Auch Teile des Gemeinderats waren gegen die Flüchtlingsunterkunft. Im Januar war ein Antrag beschlossen worden, der die Verwaltung aufforderte, das Landratsamt Ebersberg von den Planungen für die Flüchtlingsunterkunft abzubringen.
Die Entscheidung von Bürgermeister Michael Stolze will die Bürgerinitiative respektieren
Dass sie einen so tollen Bürgermeister haben, hätten sie ihm vielleicht viel früher sagen sollen, meint Haushofer. Unterschreiben würden nun jedenfalls auch Leute, die in der Bürgerinitiative seien oder neben dem Flüchtlingsheim wohnten. Unterschrieben werde quer durch die Gesellschaft. In dem Brief heißt es, "wir verstehen und respektieren Ihre Entscheidung, um Entlassung aus dem Amt (...) zu bitten. Hass, Hetze, Feindseligkeiten und ein respektloser Umgangston sind nicht hinnehmbar".
Wenn es eine Chance gebe, dass er es sich noch einmal anders überlege, "dann bitten wir Sie: Lassen Sie uns in diesen herausfordernden Zeiten alle zusammenhalten und gemeinsam diese besseren Umstände erschaffen". Zu spät, es sich noch einmal anders zu überlegen, wäre es nicht. Presseanfragen dazu wolle Stolze derzeit nicht beantworten, heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus. Vielleicht besteht also noch Hoffnung, dass der Offene Brief von Hilde Haushofer und ihren Kolleginnen Wirkung zeigt.
Info: Wer den Offenen Brief unterzeichnen möchte, kann dies per E-Mail unter zusammenhalten@aktivkreise.de tun.