Singend im Kalten Krieg

NÜRNBERG - Stefan Huber hat Cole Porters Musical „Silk Stockings“ schon unter Peter Theilers Intendanz in Gelsenkirchen inszeniert. Nun überträgt er die Produktion ins Nürnberger Opernhaus. Im AZ-Interview spricht er über Glamour und das Potential der Gattung.
Seidenstrümpfe — „Silk Stockings“ — sind es, die Nina, eine russische Kalte-Kriegs-Bolschewistin, in Paris davon überzeugen, dass der Westen Vorteile hat. Und die Liebe, die auch im letzten Musical des amerikanischen Komponisten Cole Porter („Kiss me, Kate“) nach dem Ernst-Lubitsch-Klassiker „Ninotschka“ triumphiert. Regisseur Stefan Huber, der „Silk Stockings“ schon in Gelsenkirchen bei Peter Theiler inszenierte, überträgt seine Fassung derzeit als zweite Musiktheater-Premiere der Staatstheater-Saison (8. November) auf Nürnberg.
AZ: Herr Huber, „Silk Stockings“ spielt im Kalten Krieg. Geht uns dieser Konflikt überhaupt noch was an?
STEFAN HUBER: Der Kalte Krieg ist Geschichte, und über seine Konflikte kann man heute eher lachen als damals. Mir war es wichtig, die russische Seite mit Herzenswärme und Sympathie zu zeichnen, immerhin gab es im Kommunismus auch positive Dinge, die Gemeinschaftlichkeit zum Beispiel. Aber eines darf man nicht vergessen: „Silk Stockings“ ist ein Unterhaltungsstück! Da gibt es keine großartige Gesellschaftskritik. Letzten Endes geht es um eine Liebesgeschichte.
Funktioniert denn das Musical als Gattung heute noch?
Ja, wenn es lebendig bleibt. Und es gibt durchaus Unterschiede in der Qualität. In Deutschland wird das Genre hauptsächlich mit den Lloyd-Webber-Großproduktionen in Verbindung gebracht, dazu kommen noch ein paar „olle Kamellen“ wie „My Fair Lady“ oder „Kiss me, Kate“ . Im angelsächsischen Bereich ist die Auswahl viel breiter. Dort gibt es auch eine große Bereitschaft von renommierten Schauspielern, bei Musicalproduktionen mitzuwirken. Wir müssen hier eine eigene Musical-Kultur entwickeln mit guten Autoren, die es noch zu entdecken gilt.
Haben wir in Deutschland überhaupt die Möglichkeiten, um ein Musical angemessen auf die Beine zu stellen?
Das kommt immer auch auf die Besetzung an. In Nürnberg sind lauter Spezialisten aus dem Bereich Musical dabei. Bei „Silk Stockings“ handelt es sich ja um eine Musical Comedy, da braucht man eine Truppe, die das spielen kann. Ein Glücksfall ist Lea Gordon, die fest im Ensemble ist und als klassische Sängerin auch mühelos das Musical-Genre bedienen kann.
Hildegard Knef, Fred Astaire, Cyd Charisse haben am Broadway und in Hollywood in „Silk Stockings“ mitgewirkt. Wollen Sie diesen Glamour nach Franken holen?
Glamour ist als Eindruck des Abends durchaus angestrebt. Auch deshalb haben wir „Silk Stockings“ musiklastiger angelegt und das Original mit bekannten Porter-Songs wie „Let’s do it“ angereichert, das Hilde Knef als „Sei mal verliebt“ gesungen hat.
Wie transportieren Sie die feine Ironie der Porter-Songs ins Deutsche?
Dieser Sprachwitz lässt sich nicht übersetzen. Deswegen haben wir uns dafür entschieden, die Songs im Original zu singen, auch weil sie nicht handlungstreibend sind, und sie zu übertiteln.
Wie reagieren sie auf den Vorwurf, dass Musical sei flach, süßlich, unkünstlerisch?
Damit lebe ich schon seit vielen Jahren. Ich kämpfe mit meiner Arbeit dafür, dass das Musical in Deutschland nicht mehr als Klischee wahrgenommen wird. Ein Theater ohne Verbindung von Musik und Sprache kann ich mir jedenfalls nicht mehr vorstellen. Interview: Georg Kasch