Sind Landgerichtsärzte wirklich notwendig?

München - Vor drei Jahren hat der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) ein vernichtendes Urteil über die Landgerichtsärzte gefällt: zu wenig Arbeit, zu viel Zeit für Nebenbeschäftigungen, fehlende Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden.
Das Gesundheitsministerium kündigte eine grundlegende Reform an, doch konkret umgesetzt wurde davon bisher noch überhaupt nichts.
Landgerichtsärzte gibt es nur in Bayern. Die 39 Mediziner (Beamte) im Staatsdienst sind den Landgerichten zugeordnet und auf 22 Dienststellen verteilt. Dort sollen sie je nach beruflicher Ausrichtung im Auftrag der Justiz entweder Obduktionen vornehmen oder psychiatrische Gutachten erstellen.
Laut Prüfbericht sind nicht alle Ärzte voll ausgelastet
Zuständig für den landgerichtsärztlichen Dienst sind gleich vier Staatsministerien. Allein dieses Kompetenzwirrwarr stößt beim ORH auf heftige Kritik. In einem Bericht heißt es: „Dies verursacht hohen Abstimmungsaufwand und erschwert eine wirkungsvolle Aufsicht sowie effektive Strukturen.“ Die Analyse des dienstlichen Innenlebens der Landgerichtsärzte war für den ORH derart gravierend, dass er im Abschlussbericht starke Zweifel äußerte, „ob die Landgerichtsärzte mit den jetzigen Aufgaben überhaupt notwendig sind“.
Das Gesundheitsministerium, das die Federführung bei der geplanten, aber nur sehr zögerlich vorankommenden Reform übernommen hat, will von einer Abschaffung dagegen nichts wissen. „Der gerichtsärztliche Dienst ist eine effektive Organisation, die es weiterzuentwickeln gilt“, erklärte ein Ministeriumssprecher.
Diese Aussage steht in krassem Widerspruch zu den Erkenntnissen des Rechnungshofes, in dem schwarz auf weiß steht, dass nur drei Mediziner eine Vollzeit-Auslastung hatten. Das Gesundheitsministerium macht für das desaströse Gesamtbild des Arbeitsaufwandes allerdings auch die Erhebungsmethode des ORH verantwortlich. Eine eigene Auswertung habe ein weniger dramatisches Bild gezeichnet, warf das Ministerium als Argument in den Ring. Eine grundsätzliche Reformbedürftigkeit des Modells räumt das Gesundheitsministerium trotzdem ein und hat ein „Sanierungskonzept“ vorgestellt.
Einige Dienststellen sind 20 Jahre nicht kontrolliert worden
Doch das geht dem ORH nicht weit genug. Abgesehen von der Kritik, dass das Konzept schon seit zwei Jahren vorliege und eine ernsthafte Umsetzung nicht erkennbar sei, bemängeln die Rechnungsprüfer vor allem ein nach wie vor bestehendes Defizit bei den Kontrollen.
Bei den Überprüfungen hatte der OHG festgestellt, dass manche Dienststellen gar nicht, andere vor über 20 Jahren das letzte Mal von den als Aufsichtsbehörden zuständigen Bezirksregierungen kontrolliert worden seien.
Spätestens seit der „Modellauto“-Affäre, die Christine Haderthauer (CSU) ihr Amt als Chefin der Staatskanzlei kostete, ist die Umtriebigkeit von Landgerichtsärzten bei Nebengeschäften bekannt. Ehemann Hubert, Landgerichtsarzt in Ingolstadt, machte davon in mehrfacher Hinsicht Gebrauch. Zusammen mit seiner Frau ließ er in der Psychiatrie teure Automodelle bauen – und rechnete Blutuntersuchungen von Drogenkonsumenten extra ab.
Hubert Haderthauer: Streit um Modellauto vor Gericht
Von einer zögerlichen Umsetzung der Reform oder einem zu flachen Konzept will das Gesundheitsministerium nichts wissen. Vorgesehen ist eine Zentralisierung auf die drei bestehenden Institute für Rechtsmedizin in München, Erlangen und Würzburg und eine Reduzierung auf 14 Dienststellen. Kleine Dienststellen wie Traunstein, Coburg oder Ansbach könnten danach wegfallen.
Der ORH drückt derweil auf die Tube und hat bis Ende November einen neuen Sachstandsbericht angemahnt.