Siemens: So arbeitete das System Schelsky

Bereits seit 1992 flossen Millionen an den Günstling, um die Gegen- "Gewerkschaft" AUB aufzubauen – aber auch ein IG-Metall-Betriebsrat wurde bestochen.
NÜRNBERG Wer war der „Pate aus dem oberen Führungskreis “ für die Marionetten-Gewerkschaft AUB in der Vorstandsetage von Siemens?
Gestern am 2. Prozesstag im AUB-Verfahren vor dem Nürnberger Landgericht wurde bei der Vernehmung des Nürnberger Steuerfahnders Daniel H. (34) der Inhalt von Geheimverträgen und -Akten vorgelesen, die er aus den Tresoren von Schelsky, aber auch von Vorständen des Unternehmens holte und die Strategien des AUB-Aufbaus belegen.
Die Papiere belegen: Die Organisation von Siemens-Günstling Wilhelm Schelsky (59) wurde schon seit 1992 von Siemens finanziell unterstützt, als Gegengewicht zur renitenten IG -Metall. Insgesamt sollen 50 Millionen Euro geflossen sein, Zuwendungen von 20 Millionen sind bereits verjährt.
Doch auch andere waren bestechlich: Ab 1982 hatte der IG-Metall Betriebsrat Rudolf M. jahrelang „Sonderzahlungen“ von über 10.000 Mark im Monat erhalten. Seine Akte lag im Tresor eines Siemens-Personalchefs. Da jedoch die Nachfolger des inzwischen verstorbenen Betriebsrats immun waren gegen Firmen-Zuwendungen, schuf das Unternehmen selbst die ideale Arbeitgeber-Gewerkschaft.
Die ausgeklügelten Strategien kamen nach einer Betriebsprüfung bei Schelskys Unternehmensberatungsfirma Mitte 2006 zutage. Wegen fehlender Unterlagen wurde die Steuerfahndung eingeschaltet. Denn trotz Millionengehalt hatte Schelsky als Betriebsausgaben alles mögliche abgesetzt. Auch 11.000 Euro Gehalt an seine Ex, die gar nicht bei ihm angestellt war – so sparte er sich den Unterhalt. Wochen später saßen Schelsky und der mitangeklagte Ex-Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer (51) in U-Haft. Letzterer räumte Zahlungen von 30,3 Millionen Euro ab 2001 an Schelsky ein.
Gesteht Schelsky am Dienstag?
Doch die Affäre begann schon 1990, als Schelsky die Firma verließ, um sich – auf Geheiß von Siemens – als Unternehmensberater selbstständig zu machen. Er sollte die AUB zu einer schlagkräftigen Truppe machen und das Mitbestimmungsverhältnis nachhaltig verändern.
Der selbstbewussten Macher erhielt dafür als „Gehaltspflege-Maßnahme“ nicht nur die externe Vergütung in Höhe eines Abteilungsdirektors, Schelsky sollte nach zehn Jahren auch auf diesen Posten zu Siemens zurückkehren können und eine hohe Firmenrente erhalten (monatlich 3700 Euro ab 60 Jahren). Dieser täuschte Siemens mit falschen Zahlen, prahlte mit der Rekrutierung von zuletzt 30.000 AUB-Mitgliedern – es waren nur 10.000.
Auch die AUB-Bundesgeschäftsstelle in Nürnberg wurde auf Siemens-Kosten eingerichtet, fünf Mitarbeiter bezahlt. Millionenzahlungen wurden dazu pro Jahr vertraglich abgesegnet von zwei hohen Managern. „Papier aus Sicherheitsgründen vernichten“, stand drauf. Es lag in Schelskys Tresor. Wie andere Geheimbotschaften: „Wir wollen Einfluss nehmen auf Betriebsräte,“ hieß es. Auch von unterstützenden „Paten“ aus der Führungsriege war die Rede. Denn AUB-Mitglieder sollten in den Aufsichtsrat der AG geschleust werden. Dazu wird Ex-Vorstand Hermann Franz (79) aussagen. Seine Aufbauhilfe für AUB ist längst verjährt.
Schelsky will sich erstmals am Dienstag äußern, Verteidiger Jürgen Lubojanski kündigte ein Teilgeständnis an.cis