Siemens-Schock! So zittern die Angestellten
Im Himbeer-Palast in Erlangen geht die Angst um – niemand versteht, warum fast 2000 Menschen gehen müssen. Der städtische Wirtschaftsreferent Konrad Beugel allerdings sieht "keinen Grund zur Panikmache".
ERLANGEN „Wenn Siemens hustet, bekommt Erlangen eine Lungenentzündung!“ Keiner weiß das besser als Wolfgang Fees. Seit 30 Jahren arbeitet der 46-jährige bei der Medizintechnik-Sparte des Weltkonzerns, hat alle Höhen und Tiefen miterlebt – wobei die positiven Zeiten dominierten, so Fees. Vorbei! Denn seitdem durchsickerte, dass Siemens-Boss Peter Löscher 1350 Stellen in Erlangen (580 in Nürnberg) streichen will – hauptsächlich in der Verwaltung, im IT-Bereich und im Vertrieb – liegen bei den Siemensianern die Nerven blank.
„Das ist ein ganz schlechter Stil: Von der Entscheidung des Vorstands haben wir erst durch die Zeitung erfahren“, grollt Fees. Besonders paradox findet er: Gleichzeitig sucht das Unternehmen händeringend nach Ingenieuren und anderen Spezialisten.
16 Prozent Rendite: "Reicht das nicht mehr?"
Dabei ist es vor allem das „Warum?“, das die Siemensianer umtreibt: „Okay, wenn wir Marktanteile verloren oder zu wenig Arbeit hätten!“ Aber im Gegenteil: Die Medizinsparte boomt wie noch nie. „Wir machen 16 Prozent Rendite, da fragen sich doch die Leute ,reicht das nicht mehr’!“ Fees hat gehört, in seinem Bereich, wo 7000 Menschen arbeiten, sollen 500 bis 700 Stellen abgebaut werden. „Das ist so, als würde man bei einem Ruder-Achter einfach zwei Leute über Bord schmeißen!“
Jeden kann es treffen. Als Betriebsrat mutiert Fees deshalb zum Kummerkasten: „Klar, da hängen schließlich auch Familien dran.“ Das Auto, das Häuschen, das noch abbezahlt werden müsse. „Da geht es wirklich um Existenzen!“ Sollte es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen, wären die Ersten auf der Liste natürlich die Jungen und die Kollegen, die erst frisch dabei sind. Aber auch auf Abfindungen und Altersteilzeit wurde Fees schon angesprochen.
Auf der Kippe: vor allem Stellen im mittleren Management
Neu beim aktuellen Job-Abbau ist, dass vor allem Stellen im mittleren Management auf der Kippe stehen. Im „Himbeer-Palast“, dem rosa Stammhaus in Erlangen, ist die Angst vor dem Jobverlust daher besonders groß. Hier hat der Konzern Verwaltung und Vertrieb mit insgesamt 11.000 Mitarbeitern für die verschiedenen Siemens-Bereiche in Erlangen konzentriert. Und hier muss nun Betriebsrätin Sigrid Heitkamp (45) schon seit Tagen die Fragen aufgebrachter Mitarbeiter beantworten. Vergeblich: Erst am Montag werde der Vorstand konkrete Zahlen nennen. Eine Lähmung beherrscht die Firmen-Zentrale an der Werner-von-Siemens-Straße. „Es ist das Warten auf den Brief!“ Die Kündigung. Das große Wort von der Siemens-Familie – vergessen.
Der Jobabbau ist ein Tiefschlag für Erlangen, aber einen Grund zur „Panikmache“ sieht Erlangens Wirtschaftsreferent Konrad Beugel (CSU) dennoch nicht: „Klar habe ich Verständnis für die einzelnen Schicksale. Aber wir sind in den letzten Jahren von Siemens auch äußerst verwöhnt worden.“ Nahezu in allen Bereichen habe der Konzern Beschäftigung aufgebaut. „Immer noch arbeiten rund 25.000 Mitarbeiter bei Siemens in Erlangen.“ Außerdem: Heute herrsche in der Stadt fast Vollbeschäftigung. 92.000 Arbeitsplätze kommen hier auf 106.411 Einwohner. Die Arbeitslosenquote liegt bei 3,7 Prozent. „Schön“ sagt Wolfgang Fees, „aber davon können wir uns auch nichts kaufen!“ K. Kaufmann