Sie wollte ein neues Leben beginnen: Zwei Mal lebenslänglich für Mord an Doppelgängerin

Beide Angeklagte werden verurteilt, weil sie eine junge Frau umgebracht haben. Das Urteil in Ingolstadt nehmen sie regungslos entgegen.
Patrick Guyton |
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Die Angeklagte kommt zum Mordprozess .
Die Angeklagte kommt zum Mordprozess . © dpa

Ebenso reglos wie in der allermeisten Zeit des Ingolstädter Doppelgängerinnen-Mordprozesses haben die beiden Angeklagten auch die Urteile vernommen. Der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl verkündete am Donnerstag kurz vor 14 Uhr, dass Schahraban K. und ihr Komplize Sheqir K. beide zu lebenslänglicher Haft verurteilt sind wegen Mordes an der aus Eppingen bei Heilbronn stammenden Khadidja O.

Das Urteil gegen Schahraban K., die als Drahtzieherin gesehen wird, fällt dabei noch härter aus: Bei ihr hat das Gericht zusätzlich die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Das heißt, dass sie deutlich länger als 15 Jahre im Gefängnis bleiben wird. "Sie hat die Tat angezettelt und die Gewalt inszeniert", so Kliegl.

K. wollte ein neues Leben beginnen

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts folgt in der mündlichen Urteilsbegründung fast vollständig der Anklage der Staatsanwaltschaft. Als Motiv sieht sie, dass die 25-jährige K. den eigenen Tod vortäuschen, untertauchen und ein neues Leben beginnen wollte. Denn in der Zeit vor der Tat im August 2022 habe sie "alles verloren".

Ihr Ehemann habe sich endgültig von ihr getrennt, dadurch habe sie auch "ihre Wohnung, ihre Arbeit, ihre Familie verloren – alles". In der Wohnung in Ingolstadt hatte sie auch ihren Beauty-Salon, eine Berufsausbildung hat sie nicht.

Kliegl spricht von einer "verstörenden Tat", die von anderen Morden "deutlich abweicht". Denn die zur Tatzeit 23-jährige Khadidja O. sei ein "reines Zufallsopfer" gewesen. Schahraban K. habe sie "in eine Falle gelockt" und ihr eine kostenlose Laserbehandlung angeboten. Ziel aber war es, sie zu töten, in ihrem Auto in Ingolstadt liegenzulassen und dieses anzuzünden. Letzteres hat das Duo dann nicht geschafft, das Benzin dafür war aber besorgt.

Das gesuchte Profil: 22 bis 23 Jahre alt

Minutiös zählt der Richter die vielen, erdrückenden Indizien auf, die gegen die Angeklagten sprechen. Innerhalb weniger Tage hatte sich Schahraban K. demnach mit 26 Anfragen auf den sozialen Medien, besonders Instagram, auf die Suche nach einer Frau begeben, die ihr ähnlich sehe. Das gesuchte Profil: 22 bis 23 Jahre alt, 1,60 bis 1,70 Meter groß, lange dunkle Haare, keine Tattoos.

Zugleich fragte sie verschiedene Männer in ihrem Bekanntenkreis, ob sie für sie töten würden. Einer lehnte ab, ein anderer nahm das nicht ernst. Sheqir K. schließlich willigte ein, am Abend vor dem Mord schrieb sie ihm: "Morgen viel zu erledigen." Die Deutsch-Irakerin packte einen großen Koffer mit einem irakischen Pass, den sie bei Sheqir K. deponierte.

Mit 47 Messerstichen malträtiert

Mit ihrem Merdes-Benz fuhren sie von Ingolstadt nach Eppingen und holten das Opfer ab. Schon nach kurzer Zeit steuerte Schahraban K. ein Waldstück an, wo ihr Kumpane die 23-Jährige mit einem Schlagring niederschlug und dann mit 47 Messerstichen malträtierte - in den Brustkorb, in den Rücken, in den Hals. Sie packten das Opfer auf die Rückbank, fuhren weiter und merkten, dass Khadidja O. noch nicht ganz tot war. Auf dem Parkplatz eines Baumarktes folgten neun weitere tödliche Stiche.

Im Laufe des späteren Abends meldete sich der Mann bei Freundin und erzählte, er habe "ein Mädchen abgestochen", und zwar "für eine Frau aus Liebe". Schahraban K. sagte einem Freund, wegen ihr sei ein Mädchen gestorben, weil sie es so gewollt habe. Zu dem Mord insgesamt sagt der Richter bilanzierend: "Der Sachverhalt steht fest."

 "Das ist in allen Punkten widerlegt"

Dass Schahraban K. schon zuvor kriminelle Energie aufgewiesen hatte, darauf verwies das Gericht auch. Mit angeklagt war die versuchte Anstiftung zu einem Mord. Sie hatte sich ihres Schwagers entledigen wollen, der ihrer Ansicht nach die Ehe seines Bruders mit ihr torpediert hatte. Dafür versprach sie einem Mann 10.000 Euro, 5000 davon leistete sie als Anzahlung. Dieser sollte den Schwager betäuben und im Starnberger See ertränken. Er hatte allerdings nur das Geld genommen und sich dann nicht mehr gemeldet.

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Über die äußerst unvollständige Einlassung der Angeklagten, dass sie bei dem Mord an der "Doppelgängerin" zwar dabei gewesen war, aber nichts damit zu tun hatte, sie sogar verhindern wollte, meint der Richter: "Das ist in allen Punkten widerlegt." Der angeklagte Sheqir K. hatte sich im ganzen Prozess überhaupt nicht geäußert. Über dessen Motiv zeigt sich das Gericht auch bis zum Schluss nicht richtig im Klaren. Aber auch ohne klares Motiv gilt für die Kammer das Mordmerkmal der Heimtücke, weshalb es zur Verurteilung wegen Mordes kam.

Richter geht Verteidiger hart an

Die Verteidigerteams der Angeklagten, vor allem dem vierköpfigen von Schahraban K., geht Richter Kliegl mitunter hart an. Er kritisiert die geballte Ladung an immer neuen Beweis- und Befangenheitsanträgen, was zu 52 Prozesstagen und einer Verhandlungsdauer von fast einem Jahr geführt hatte. Die Verteidigung habe das "Ziel der Prozessverschleppung" gehabt.

Auch macht er Schluss mit dem Aufbringen von immer neuen alternativen Erklärungsansätzen der Verteidigerteams - etwa dass Schahraban K. als Angehörige der Volksgruppe der Jesiden einen "Magier" angerufen hate, welcher ein "Menschenopfer" von ihr verlangt habe. Oder dass die jesidische Religion so streng sei, dass eine geschiedene Frau wieder bei den Eltern leben müsse. "Mit Magie oder dem Jesidentum als solchem hatte das Geschehen nichts zu tun", so Kliegl.

Die Verteidiger von Schahraban K. haben angekündigt, in Revision zu gehen. Die Rechtsanwälte von Sheqir K. wollen die schriftliche Begründung abwarten und dann entscheiden.

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