Sie tötete ihr Baby: Mutter (22) muss nicht ins Gefängnis
"Der Bub hat nicht gelitten", urteilte der Richter. Isabella F. erhält eine Bewährungsstrafe – auch wegen ihres despotischen und prügelnden Vaters.
WÜRZBURG Selbst am letzten Prozesstag wagte es die junge Abiturientin aus einer kleinen Gemeinde im Spessart zunächst nicht, zur Richterbank aufzublicken. Zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung lautete gestern das Urteil des Landgerichts Würzburg gegen die zierliche Isabella F. (22). Vor knapp einem Jahr hatte die junge Frau mit den langen dunklen Haaren heimlich und ohne fremde Hilfe in ihrem Badezimmer einen Buben entbunden. Danach hatte sie das Kind in ein Badehandtuch eingewickelt, dabei allerdings auch Nase und Mund verdeckt. Der Junge erstickte. Das Gericht urteilte auf fahrlässige Tötung. Da brach die junge Frau in Tränen aus.
In ihrer persönlichen Entwicklung blieb die Mutter selbst ein Kind
Die juristische Entscheidung sei nicht leicht gewesen, sagt der Vorsitzende Richter Lothar Schmitt. „Die Angeklagte ist eine junge, intelligente Frau“, aufgewachsen in finanzieller Sicherheit, aber mit einem strengen Vater. „Mit der Situation im Elternhaus wurde die Angeklagte nicht fertig“, gesteht Schmitt der Frau zu. „Sie wird bevormundet, muss den herrischen Vater ertragen.“ In ihrer persönlichen Entwicklung sei sie darüber hinaus ein Kind geblieben. Nicht nur das Baby sei ein Opfer, sondern auch seine Mutter.
Die Kammer ist überzeugt: „Die Angeklagte hatte nicht die Absicht, ihr Kind zu töten.“ Dennoch habe sie fahrlässig gehandelt, „wenn man die Atemwege eines wehrlosen Säuglings zudeckt“. Die 22-Jährige habe trotz der Ausnahmesituation gewusst, was sie tat, wenn es auch keine Gewalttat gewesen sei. Der Bub habe nicht gelitten, sagte der Richter.
Die Strafkammer blieb mit ihrer Entscheidung hinter der Forderung der Anklage zurück. Staatsanwalt Erik Ohlenschlager hatte eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren wegen Totschlags verlangt. Auch wenn die 22-Jährige entwicklungsgestört und damit nur eingeschränkt schuldfähig sei, hätte sie mit dem Tod ihres Babys rechnen müssen, als sie das Gesicht des Kindes zudeckte.
Der Vater schlug sie gar als Volljährige
Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, im Falle einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung eine Haftstrafe auf Bewährung gefordert. Die Anwälte sahen keine eindeutigen Beweise für die Lebensfähigkeit des Säuglings. „Wir können nicht davon ausgehen, dass sich die Beine und Arme bewegt haben.“
Die verschüchtert wirkende junge Frau hatte gestanden, ihre Schwangerschaft vor ihrer Familie verheimlicht zu haben. Als Grund nannte sie Angst vor ihrem dominanten Vater. Der 61 Jahre alte Lehrer soll sie selbst als Volljährige mit Ohrfeigen gezüchtigt haben. Die bei der Entbindung 21-Jährige hatte den Jungen nachts alleine in ihrer Wohnung im elterlichen Haus bekommen. Der Säugling habe nicht geschrien und nicht gestrampelt, sagte sie vor Gericht. Um ihn zu wärmen, habe sie ihn eingewickelt.
Nach der Urteilsverkündung sprach der Richter die 22-Jährige noch einmal direkt an. „Und jetzt schauen Sie wieder hoch“, fordert Schmitt die Angeklagte auf, um ihr zu sagen: „Wir haben die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt.“ Zudem soll die junge Frau künftig bei ihrer Schwester wohnen, eine Ausbildung beginnen. Ihr huscht ein Lächeln übers Gesicht, gefolgt von Freudentränen.
Angelika Röpcke