Sie steht in Flockes Schatten: Keiner besucht traurigeMammi

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Wartet in ihrem abgelegenen Gehege sehnsüchtig auf Besucher: Die Syrische Braunbärin Mammi (33) fristet ein trauriges Dasein im Nürnberger Tiergarten.
Bayernpress Wartet in ihrem abgelegenen Gehege sehnsüchtig auf Besucher: Die Syrische Braunbärin Mammi (33) fristet ein trauriges Dasein im Nürnberger Tiergarten.

NÜRNBERG Wenn einer der elektrischen Tiergarten-Minitransporter vorbei summt, lugt „Mammi“ vorsichtig aus ihrer Höhle hervor und tappst ins Freie. Während in 500 Meter Luftlinie Entfernung tagtäglich Tausende darauf warten, dass sich Eisbärchen Flocke zeigt, fristet Mammi, der letzte Syrische Braunbär in Nürnberg, ein einsames Dasein.

„Das Geräusch der Elektro- Autos verbindet sie mit Besuchen der Tierpfleger“, weiß Tiergarten-Vize Helmut Mägdefrau. Die Fütterung als Highlight im Tagesablauf des Zoo-UrgesteinsMammi, die im Flocke- Fieber droht, in Vergessenheit zu geraten. Obwohl der Tiergarten 20 Prozent mehr Besucher hat und sich gestern bei Flocke alle dicht an dicht drängten, will Mammi keiner sehen.

Dabei ist die braune Petz- Oma (33) nicht nur mindestens genauso drollig wie die weiße Verwandtschaft, sondern hätte viel zu erzählen aus ihrem bewegten Bären-Leben: Mammi ist die Tochter von Sarah, einer Bärin, die deutsche Tierärzte Anfang der 70er aus den Fängen eines türkischen Kürschners befreien konnten. Während das Fell vonMammis Oma bereits am Haken hing, gelang es den Veterinären, ihre Eltern zu retten. Sie wuchsen ein paar Monate lang auf der Dachterrasse einer Wohnung in Ankara auf, bis der österreichische Generalkonsul von dem Bären- Schicksal Wind bekam und das Trio an den Wiener Zoo vermittelte. Dort kam Mammi am 14. Januar 1975 zur Welt, im September des gleichen Jahres kam sie nach Nürnberg. Dort wird sie auch sterben: „So lange wird sie nicht mehr leben“, fürchtet Mägdefrau. Zwar istMammi gesund und munter, hat aber für syrische Braunbären ein biblisches Alter erreicht. Ihr altes Gehege, in dem sie seit acht Jahren bewusst alleine umherstreift und Äpfel verputzt, wird nach ihrem Tod abgerissen.

Mit ihrem Bruder hat sie viele Kinder gezeugt. Mägdefrau: „Ohne Erbschäden ist Inzest bei Bären kein Problem.“ Noch viel mehr ihrer Urenkelsind in Zoos in ganz Europa unterwegs: „Ostrava, Heidelberg, Brindisi, Bad Mergentheim, Zagreb“, zählt Mägdefrau die Wohnorte von Mammis Nachwuchs auf. Sie selbst erlebt nicht viel, das Geräusch des Elektro-Autos ist die schönste Musik, die sie kennt. Klar, syrische Braunbären sind Einzelgänger – über den ein oder anderen Flocke-abtrünnigen Besucher würde sie sich vielleicht trotzdem ein bisschen freuen.

Steffen Windschall

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