"Sie haben das ganz anders gesagt": Lügt die Zeugin im Prozess zum Mordfall Hanna?
Traunstein - "Ich kann mich nicht erinnern." Diesen Satz hört man am Donnerstag im Landgericht Traunstein sehr oft. Und es wird viel geschwiegen. Sebastian T. wird dort der Prozess gemacht. Er soll die 23-jährige Hanna umgebracht haben. Das Mädchen hatte in der Nacht auf den 3. Oktober vor einem Jahr im "Eiskeller" gefeiert. Ihr Nachhauseweg wäre nur 800 Meter lang gewesen. Doch auf dieser kurzen Strecke wurde sie überwältig, schwer verletzt und in einen Bach geworfen, in dem sie letztlich ertrank.
Der Angeklagte Sebastian T. schweigt zu den Vorwürfen. Der 21-Jährige sitzt seit einem knappen Jahr in Untersuchungshaft. Am Donnerstag befragt das Gericht Verena R., mit der der Angeklagte befreundet war.
Mordprozess Hanna: Zeugin weist deutliche Erinnerungslücken auf
Die gleichaltrige junge Frau betritt das Gericht in einem kurzen Oberteil und mit rotem Lippenstift, ihr Gesicht ist kreidebleich. Laut eigener Aussage, soll T. ihr bereits am Abend des 3. Oktober von einem Mädchen in Aschau erzählt haben, "das umgebracht wurde". Und zwar am Morgen desselben Tages, ausgerechnet am Parkplatz des Eiskellers. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Medienberichte zum Leichenfund.
Die Zeugin, die eine Ausbildung als Verkäuferin macht, habe Sebastians Behauptung als Scherz abgetan. Sogar der Name von Hanna soll laut Zeugin gefallen sein, auch dass es ihm "so leidtue", erinnern kann sie sich dann aber nicht mehr. Auf Rückfragen der Vorsitzenden Richterin Jacqueline Aßbichler reagiert Verena R. ausweichend, ist sich plötzlich doch nicht so sicher, ob das Wort "umgebracht" gefallen ist.
Dreimal hat die Polizei R. vernommen, präzise scheint ihre Aussage gewesen zu sein. Das kann man zumindest aus den Passagen schließen, die Aßbichler aus dem Protokoll zitiert. Auf Rückfrage versichert die Zeugin, dass sie der Polizei die Wahrheit gesagt habe.
Widersprüchliche Aussagen: Richterin warnt Zeugin vor Falschaussage
Die Zeugin kennt T. noch aus der Schule, berichtet, dass er dort gemobbt worden sei. Warum, das wisse sie leider nicht mehr. Auch dass T. die Zeugin selbst mal mit einem Messer bedroht haben soll, ist ihr nicht so richtig erinnerlich. Dass es passiert sei, ja – nur wo das geschehen sei und wer das gesehen habe, fehlt ihr. Tatsächlich hatte ihre Schwester angegeben, die Bedrohung in einem Auto miterlebt zu haben.
Zweimal wird die Verhandlung unterbrochen. Die Zeugin weint, ist sichtlich angegriffen. Aßbichler sagt ihr schließlich klipp und klar: "Wir haben den Eindruck, dass Sie den Angeklagten schützen wollen!" Aßbichler weist auf Widersprüche hin, etwa dass sie jetzt von einem Mobbingopfer rede, den Angeklagten aber vorher als durchaus aggressiv beschrieben hatte. "Sie haben das ganz anders gesagt!", sagt Aßbichler und warnt R. sehr deutlich vor einer Falschaussage.
Mordfall Hanna: Richterin bricht Zeugenbefragung ab
Irritierend sei besonders, dass R. sich an andere Details genau erinnern kann. Etwa, dass T. zwei Wochen nach dem Mord Pfefferminzschnaps nicht aus einem Stamperl, sondern aus einem großen Glas getrunken haben soll. Dass er dann die Tat zugegeben hat, will sie wiederum nicht mehr wissen. Auch dass er sie mal angefasst hatte, "sexuelle Belästigung kann man das schon nennen", weiß sie noch haarklein.
Warum sie in einer Sprachnachricht an einen Freund nach einer Vernehmung davon gesprochen hatte, "den T. fett in Schutz genommen" zu haben, weiß sie hingegen nicht mehr. Aßbichler bricht schließlich die Zeugenbefragung ab und kündigt R. an, sie nochmals vorzuladen. Da solle sie dann aber "ihre Hausaufgaben" machen.
T., der die bisherigen Verhandlungstage relativ reglos verfolgt hatte, scheint nun doch von der Aussage seiner früheren Freundin angefasst zu sein. Und er hat Hunger: In der Verhandlungspause bittet er einen Beamten um Essen. In aller Seelenruhe isst er ein belegtes Brot.