Sex-Priester: Und wieder gibt es kaum Hilfe für die Opfer
Geistlicher bittet Papstum seine Entlassung. Ex-Schüler wartet auf kirchliche Unterstützung.
BAD NEUSTADT/SAALE Der Grund, warum Horst M.* (50) vor vier Monaten zur Polizei ging und seinen Peiniger anzeigte, war dieser: „Mir wurde bewusst, wie sehr es mich deformiert hat.“ „Es“, das sind die abscheulichen Taten eines heute 71 Jahre alten Priesters, der auch Horst M. in den 70er Jahren im damaligen Internat im Kloster Lebenhan (Lkr. Bad Neustadt/Saale) missbraucht hat. Um seine Glaubwürdigkeit musste Horst M. nicht kämpfen: Der alte Mann vom katholischen Orden „Missionare von der Heiligen Familie“ gab die Verbrechen zu. Doch Hilfe von der Kirche hat das Opfer M. bis heute nicht bekommen. „Das ist menschlich enttäuschend, seelsorgerisch ein Desaster“, sagt Horst M.
Strafrechtlich sind die sexuellen Übergriffe auf mindestens 16 Buben verjährt. Der Geistliche, der jetzt in einem Kloster in Rheinland-Pfalz lebt, hat Papst Benedikt um seine Entlassung aus dem Klerikerstand gebeten. Doch während der Täter im engen Rahmen der wenigen Möglichkeiten zur Rechenschaft gezogen wird, stehen die Opfer ganz alleine da.
Horst M. erhebt Vorwürfe: Die Zahl von 16 Opfern sei falsch, sie beruhe nur auf den Aussagen des Täters – und da nur der Zeitraum untersucht wurde, den Horst M. der Polizei gegenüber angab, geht M. von mehr Opfern aus. Und er schließt auch die Buben als Opfer ein, die angstvoll in ihren Betten lagen und bangten, selbst Missbrauchsopfer zu werden.
Die Buben wurden nicht nur sexuell, sondern auch mit purer körperlicher Gewalt gequält. „Über Jahre“, so M. im Rückblick, hätten blutende Kinder auffallen müssen – doch in der Kirche habe niemand gehandelt.
„Meine Frage, was denn der Orden für die Betroffenen zu tun gedenkt, ist und bleibt ohne Antwort. Generell wird darauf verwiesen, dass es die Taten eines einzelnen waren und der Orden nicht verantwortlich ist. Meine Forderung nach Übernahme der therapeutischen Kosten wird ebenfalls nicht beantwortet.“
Horst M. hat anderen Betroffenen geraten, ihre jeweilige Krankenkasse zu bitten, die Kosten dem Orden in Rechnung zu stellen. Er wird das ebenso tun. Horst M. ist enttäuscht: „Es zeigt sich wieder einmal mehr, dass die Kirche nicht in der Lage ist, Missbrauchsfälle aufzuklären und die Opfer in das Zentrum ihrer Bemühungen zu stellen.“ sw
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