Seehofers Zukunft: Der Tag der Entscheidung

München - Wo auch immer Horst Seehofer hinkommt, seine eigene Schicksalsfrage ist schon da. Selbst als der CSU-Chef am vergangenen Montag in Rom dem emeritierten Papst Benedikt XVI. zum 90. Geburtstag gratuliert, wird er auf seine eigene Zukunft angesprochen.
Ob er sich päpstlichen Rat eingeholt habe, wird er von einem BR-Journalisten gefragt. "Das habe ich nicht gewagt, weil was hätte ich gemacht, wenn er gesagt hätte: Machen Sie es so wie ich. Was hätte ich dann gemacht?", antwortet der Ministerpräsident.
Damit aus der doppeldeutigen Antwort und dem vielsagenden Lächeln keine weiteren Spekulationen erwachsen, fügt er noch hinzu: "Ich bin aber noch nicht fertig, ich brauche noch eine Woche." Das Beispiel zeigt, dass es in der CSU derzeit nur ein wichtiges Datum gibt: den 24. April. Am Montag will Seehofer verkünden, ob er seine politische Laufbahn entgegen seiner einstigen Ankündigung auch über 2018 hinaus weiterführen will.
Seehofer selbst wird nicht müde, die eigene Unentschlossenheit zu äußern: "Es gibt für beide Varianten gute Argumente, ich weiß es wirklich noch nicht", sagt der 67-Jährige gerne in Fernsehkameras oder Mikrofone. In den Osterferien wollte er in sich gehen und sich auch mit seiner Familie intensiv beraten. Und dann ist da auch noch der wichtige Gesundheits-Check, der beantworten soll, ob seine Fitness noch für weitere Jahre ausreicht.
Pro- und Contra-Seehofer innerhalb der Partei
Trotz aller Ungeduld: Seehofer kommt mit der Entscheidung seinem eigenen Zeitplan zuvor. Erst am 6. Mai will die CSU ihre Liste für die Bundestagswahl im Herbst aufstellen. Sollte er weitermachen, könnte er auch selbst Spitzenkandidat werden – selbst wenn der eigentlich damit verbundene Gang nach Berlin für ihn kein Thema ist.
Innerhalb der CSU gehen die Meinungen zu Seehofer auseinander: Seine Befürworter sehen in der Zukunftsentscheidung eine strategische Meisterleistung. Sie verweisen auf eine wachsende Zahl von Rufen nach einer Fortführung, da Seehofer insbesondere in der Flüchtlingsdebatte mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gezeigt habe, wie unersetzlich er sei.
Selbst seine Vorgänger Erwin Huber und Edmund Stoiber gehören dazu. Alle vereint die Sorge, dass eine CSU ohne Seehofer 2018 bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit verlieren und im Herbst nach der Bundestagswahl ihren Einfluss in Berlin einbüßen wird.
Ihnen gegenüber stehen die Christsozialen, die im Kopf schon lange mit Seehofer gebrochen haben, die ihm einen autoritären Stil, emotionalen Autismus und fehlende Kompromissbereitschaft vorwerfen, Sie wünschen sich lieber gestern als heute eine Übernahme aller Ämter durch den wohl mächtigsten Seehofer-Kritiker, den Finanzminister Markus Söder.
Warten auf einen Fehler Seehofers
Öffentlich will aber derzeit niemand dem Parteichef die Stirn bieten, zu stark ist seine Position, zu gefestigt seine Macht. Ihre Taktik lautet: Warten auf eine Niederlage der CSU oder einen Fehler Seehofers. Doch ab und an zeigt sich der tiefe Graben zwischen beiden Lagern, der etwa durch die Landtagsfraktion geht. So etwa bei der jüngst von Seehofer durchgesetzten Abiturreform, als er gegen den Widerstand weiter Teile der Fraktion das G9 durchsetzte. Oder bei der von Seehofer einkassierten Reform zum Zählsystem bei Kommunalwahlen, wo er den eigenen Leuten gar eine Arroganz der Macht vorwarf. Auch der verordnete Kuschelkurs mit Merkel nach 18-monatigem Dauerstreit ist bei vielen in der Basis noch nicht verarbeitet.
Doch von Unruhe in den eigenen Reihen will Seehofer nichts wissen, zumindest nach außen ist für ihn im Wahljahr Geschlossenheit das oberste Gebot. "Die Partei ist ruhig, war immer ruhig", sagt er und versucht in der ihm üblichen Manier, alle Nachfragen zur eigenen – nur wenige Tage zuvor geäußerten – Sorge ("Fürchte die eigene Fraktion mehr als die SPD") wegzulächeln.
Es ist glaubhaft, dass Seehofer 2012 bei seinem angekündigten Karriereende noch selbst daran geglaubt hat. Doch sein damaliger Plan ist durch äußere Faktoren überholt: Potenzielle Nachfolger wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder Ilse Aigner waren da schon demontiert oder konnten sich nicht wie geplant durchsetzen, stattdessen gewinnt ausgerechnet jener "Stratege" Söder so sehr an Kraft. Aus der CSU-Spitze heißt es, dass für Seehofer die starke AfD, die unsichere Perspektive der CSU in Berlin und die aus seiner Sicht fehlende charakterliche Eignung Söders als Nachfolger den Ausschlag geben werden, weiter machen zu müssen. Es sei keine Frage des Wollens.
Lesen Sie hier den AZ-Kommentar zum Thema: Seehofer-Kandidatur - Das Beste für die CSU