Schwarz-Grün – Geht das auch in Bayern?
In Hamburg machbar – auch ein Modell für den Freistaat? Die AZ bat Christine Haderthauer (CSU) und Sepp Daxenberger (Grüne) zum Streitgespräch.
AZ: In Hamburg ist die erste schwarz-grüne Landesregierung absehbar. Ein Modell auch für Bayern?
DAXENBERGER: In der Politik muss man natürlich bereit sein, mit allen Menschen zu reden und Kompromisse zu machen. Aber man darf auf gar keinen Fall seine Themen und seine Vorstellungen vergessen. Schwarz-Grün ist für mich vorstellbar, aber für Bayern im Moment nicht realistisch. In Hamburg bewegt sich die CDU sehr deutlich auf die Grünen zu, schau’ ma mal, was rauskommt.
HADERTHAUER: Das wundert mich jetzt schon. Ich hab’ mir grad noch mal frühere Äußerungen von Ihnen zu diesem Thema durchgelesen, und da war Schwarz-Grün für Sie ein ziemlicher No-Go. In einem gebe ich Ihnen recht: In Hamburg kann ich mir das vorstellen – in Bayern überhaupt nicht. Ich stimme Ihnen zu, Herr Daxenberger, man muss auf die Themen achten – und gerade da haben sich die Grünen wegbewegt von der Union. Wenn wir machen würden, wie die Grünen wollen, sind wir in Bayern die Hauptleidtragenden. Ein Beispiel: Wenn wir aus der Kernkraft aussteigen und keine neuen Kohlekraftwerke bauen, droht hier als erstes der Versorgungsnotstand.
DAXENBERGER: Weil die CSU immer einseitig nur auf Atomenergie gesetzt hat.
HADERTHAUER: Wir sind bundesweit an der Spitze bei den regenerativen Energien.
DAXENBERGER: Weil wir halt die Wasserkraft haben. Aber das ist doch nicht die Leistung der CSU. Außer sie behauptet, dass sie eigenhändig die Berge aufgeschüttet und die Seen ausgegraben hat.
HADERTHAUER (lacht): Der Gedanke ist durchaus reizvoll! Es gibt viele, die sagen: Das könnt’ sogar sein.
DAXENBERGER: Momentan ist es so, dass wir Grüne im Aufwind sind. Die Menschen merken, dass wir die richtigen Fragen stellen und die richtigen Antworten haben. Ich hab’ den Eindruck, dass die CSU geschaut hat, was machen wir, was fordern wir, und das dann nachgebetet hat. Die CSU hat ja immer neue Themen zuerst totgeschwiegen, dann verteufelt und sie schließlich übernommen. Zum Beispiel in der Klimaschutzpolitik: Dafür sind wir früher beschimpft und belächelt worden.
HADERTHAUER: Wir haben das Thema Ökologie schon vor der Gründung der Grünen besetzt. Wir setzen aber auf andere Lösungen, als ineffiziente Windräder in die schöne bayerische Landschaft zu stellen.
DAXENBERGER: Deswegen fahrt’s ihr die Förderung des ökologischen Landbaus zurück, und die Biobauern rennen uns die Bude ein.
HADERTHAUER: Aber zurück zur Energiepolitik: Haben Sie damit kein moralisches Problem, trotz der Klimakatastrophe auf die Kernkraft zu verzichten?
DAXENBERGER: CSU-Bürgermeister kommen zu mir nach Waging, um zu schauen, was wir mit den regenerativen Energien gemacht haben. Vor den Wahlen war wieder ein ganzer Bus da. Die CSU hat sich halt immer zum Lobbyisten der Automobilbauer gemacht, die Riesenautos bauen mit einem Riesenverbrauch. Die Leute wissen sehr wohl, dass wir das Original sind.
HADERTHAUER: Die Leute wissen vielmehr, dass ohne die modernen Autos und die bayerischen Firmen, die sie bauen, Forschung und Innovation gerade im Umwelttechnikbereich nicht möglich wäre. Und so ganz ohne Wirtschaft und Arbeitsplätze werden wir's auch nicht schaffen im weltweiten Wettbewerb.
AZ:Kommt denn Schwarz-Grün in Bayern eher später oder früher als anderswo?
DAXENBERGER: In Bayern ist es viel schwieriger, weil die CSU ein sehr verstaubtes Weltbild hat, ein sehr verstaubtes Frauenbild...
HADERTHAUER: Da sag ich aber gleich was dazu!
DAXENBERGER: ... und ein Gesellschaftsbild aus den 70er Jahren, wie es in vielen Fällen die Lebenswirklichkeit nicht mehr trifft. Das zweite ist, dass die CSU in Bayern seit 45 Jahren alleine regiert. Wenn es eine Mehrheit jenseits der CSU gibt, müssen wir diese Chance nutzen. Und nicht die Gelegenheit zur Filzverlängerung geben.
HADERTHAUER: Die Frage stellt sich gar nicht. Wir werden bei der nächsten Wahl wieder 50 plus x erreichen. Jetzt möcht’ ich aber was zum Frauenbild sagen: Ihr müsst’s halt einfach moderner werden. Ihr seid immer noch in eurer 70er-Jahre-Latzhosen-Mentalität und habt noch nicht akzeptiert, dass wir in Bayern nicht nur die modernsten Frauen, sondern auch die modernsten Männer haben.
DAXENBERGER: Ja, die reden übers „Wickelvolontariat“.
HADERTHAUER: Wir haben bundesweit die meisten Männer, die die Partnermonate in Anspruch nehmen. Und wir haben ein viel moderneres Familienbild. Ich finde zum Beispiel, dass sich Frauen und Männer die Erziehungsverantwortung teilen sollten.
DAXENBERGER: In den letzten Jahren hat sich beim Frauenbild in der CSU ein bisschen was bewegt, das seh ich auch – durch den Anschub der Grünen, aber vor allem durch die Rebellion der Frauen.
AZ: Welche Basis hätte denn die größeren Probleme mit einem eventuellen Bündnis?
HADERTHAUER: Die CSU hätte ein Riesenproblem. Ab und zu gibt es ja Einzelmeinungen in der CSU, die über Schwarz-Grün philosophieren. Da gehen dann an der Basis die Emotionen total hoch, da denken unsere Mitglieder an Multi-Kulti, Türkei-Beitritt, Atomausstieg...
DAXENBERGER: Bei uns sind das fast dieselben Themen, Atomkraft, Innere Sicherheit, Lauschangriff. Da erschrecken die Leute. Ich mache jetzt seit fast dreißig Jahren Politik, mein Hauptgegner war immer die CSU, der monolithische Block. Wenn man dann plötzlich sagt, es gibt aber Gemeinsamkeiten und da könnte man es ja vielleicht mal miteinander versuchen, kommt bei vielen reflexartig: „Um Gottes Willen, das sind ja unsere Feinde.“
AZ: Aber die Gemeinsamkeiten gibt’s?
DAXENBERGER: Es gibt durchaus Dinge, wo ich mir vorstellen kann, dass man mit der CSU weiterkommt als mit der SPD. Zum Beispiel der Bereich „Erhaltung der Schöpfung“, Stichwort Gentechnik oder embryonale Stammzellen. Das wäre spannend.
AZ: Frau Haderthauer, Sie haben jetzt die ganze Zeit genickt. Also könnten Sie sich die Kooperation in diesem Bereich auch vorstellen?
HADERTHAUER: Natürlich ist für uns die Bewahrung der Schöpfung ein Kernanliegen. Und christliche Werte sind das Fundament für unsere Politik. Deshalb stößt es in der CSU auf großes Befremden, wenn von den Grünen Vorstöße kommen, muslimische Feiertage auch bei uns einzuführen. Oder Thema Deutschunterricht: Als wir gefordert haben, dass Grundschulkinder Deutsch können müssen, wurden wir als Zwangsgermanisierer beschimpft. Und gleichzeitig beklagen die Grünen, wenn Jugendliche keinen Schulabschluss schaffen – die meisten davon haben einen Migrationshintergrund und fehlende Deutschkenntnisse.
DAXENBERGER: Dann müsst ihr halt genügend Angebote für für Deutschkurse machen!
AZ: In München sind in drei Bezirken die Grünen stärker als die CSU, es gibt schwarz-grüne Kooperationen. Sind die Großstädte Vorreiter?
DAXENBERGER: Klar, dass wir uns in der Stadt leichter tun mit unseren moderneren Vorstellungen. Auf dem Land funktionieren halt manchmal noch die alten Reflexe à la „Oh Gott, die Grünen, die Welt bricht zusammen, uns wird’s allen schlecht gehen und verhungern müssen wir wahrscheinlich auch noch...“
HADERTHAUER: Das ist ja klasse! So schön hab ich das noch nie formuliert! Darf ich das übernehmen? Im Ernst: Wenn Menschen nach Bayern ziehen, ziehen sie meistens in die Städte. Logisch, dass die Bevölkerung dort in ihren Anschauungen gemischter ist. Es wäre natürlich schön, wenn alle Menschen, die hierher ziehen, weil es hier so schön ist und weil es gute Arbeitsplätze gibt, auch die CSU wählen, damit das auch so bleibt.
DAXENBERGER (lacht): Am Ende machen Sie das noch zur Einreisebedingung.
HADERTHAUER (lacht): Ja, da haben Sie mal eine gute Idee.
Moderation: Anja Timmermann, Annette Zoch, Frank Müller
- Themen:
- CDU
- CSU
- Christine Haderthauer
- SPD