Schwäbische Hanf-Produzentin ausgezeichnet

Vor 20 Jahren war der Anbau von Nutzhanf noch verboten. Dabei handelt es sich um einen schnell wachsenden Rohstoff. Carmen Hock-Heyl hat Hanf als Baustoff salonfähig gemacht. Dafür erhält sie den Deutschen Umweltpreis und will nun eine Aufklärungskampagne starten.
Nördlingen – Als Carmen Hock-Heyl erfuhr, dass sie für ihr Engagement für Hanf-Dämmmatten den höchstdotierten Umweltpreis Europas erhält, konnte sie es kaum glauben. „Ich war ganz überrascht, dass ich überhaupt wahrgenommen werde“, sagt die 58-Jährige aus dem schwäbischen Nördlingen.
Seit 15 Jahren entwickelt die Unternehmerin Dämmstoff aus dem schnell wachsenden Rohstoff und kämpft dabei unermüdlich gegen Vorurteile in den Köpfen an – gegen sie als Frau in einer Männerbranche und gegen Hanf als Rohstoff. Die Auszeichnung mit dem diesjährigen Deutschen Umweltpreis ist nun der Lohn der jahrelangen Mühen der Produzentin, die aber sagt: „Die Aufgabe ist noch lange nicht zu Ende.“
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), die die Auszeichnung vergibt, würdigt Hock-Heyls „vorbildliche unternehmerische und ökologische Innovationsleistung“, die zum Aufbau der einzigen deutschen Produktion von Dämmstoffen für Dächer und Fassaden aus Hanf geführt habe.
Der mit insgesamt einer halben Million Euro dotierte Preis wird von Bundespräsident Joachim Gauck am 27. Oktober in Osnabrück verliehen. Neben Hock-Heyl wird auch die Chefin der Netzkauf Elektrizitätswerke Schönau, Ursula Sladek, geehrt. Die 67-Jährige aus Baden-Württemberg gründete den ersten Ökostromanbieter und wurde als „Stromrebellin“ bekannt.
Hock-Heyl ist durch die Zimmerei ihrer Eltern mit der Baubranche vertraut gewesen. „Mein Vater ist Zimmerer, mein Bruder ist Zimmerer, mein Mann ist Zimmerermeister“, sagt sie. „Ich kenn mich aus in dem Metier, ich bin mit dem Geruch von Holz groß geworden.“ Dennoch schlägt sie erst einmal einen anderen Berufsweg ein. „Ich wollte etwas tun, um den Menschen zu helfen“, erklärt sie. „Ich habe Arzthelferin gelernt und als Sanitäterin gearbeitet.“
Mit 43 Jahren geht Hock-Heyl doch in die Baubranche und gründet ihr Unternehmen, die Hock GmbH & Co. KG, zunächst in Stutensee bei Karlsruhe, später folgt der Umzug ins bayerische Nördlingen. Heute erzielt der Betrieb einen Umsatz von acht bis zehn Millionen Euro im Jahr und hat rund 60 Beschäftigte. „Gestartet bin ich mit zwei Mitarbeitern“, sagt die Chefin.
Hock-Heyl bietet ihren Thermo-Hanf mittlerweile in verschiedenen Variationen an, für Dächer, Wände oder auch als Schallschutz für Fußböden. Dabei verkauft die Unternehmerin nicht nur die ökologischen Baustoffe, die eine bessere Umweltbilanz als herkömmlich Dämmwolle oder Styropor haben, sie verspricht auch, dass sie ihre Hanfmatten jederzeit wieder zurücknimmt und recycelt. „Das Rücknahmeversprechen, das die Firma Hock gibt, ist einzigartig“, betont DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde. „Ein echter Beitrag zur Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit von biologischen Bau- und Dämmstoffen.“
Der Anbau von Hanf (Cannabis) war noch bis Mitte der 1990er Jahre in Deutschland generell verboten, also auch der Anbau von Nutzhanf, das kaum das berauschende Tetrahydrocannabinol (THC) enthält. Dabei sei dieser Hanf als Droge überhaupt nicht zu gebrauchen, betont Hock-Heyl. „Sie müssten ein ganzes Feld rauchen, um ungefähr die gleiche Wirkung zu erzielen, wie wenn sie drei Halbe trinken“, rechnet sie vor. „Also das ist langweilig.“
Bei der Entwicklung von Hanf-Dämmstoff erinnerte sich Hock-Heyl daran, wie die Handwerker aus dem Betrieb der Eltern über die Dämmmatten geflucht hätten. Die Fasern blieben an den unter dem Dachstuhl schwitzenden Arbeitern hängen, sie klebten an der Haut und verursachten unerträgliches Jucken. „Jeder, der das schon mal verarbeitet hat, sagt: Das möchte ich nicht mehr“, berichtet die 58-Jährige. Hanf hingegen sei ein völlig gesundheitsunbedenklicher Baustoff – „ohne Jucken und Kratzen“.
Dies sei nur einer der vielen Vorteile von Hanf. Der Rohstoff Hanf wachse innerhalb von 100 Tagen bis zu vier Meter hoch, er brauche keinerlei chemischen Pflanzenschutz und binde das Treibhausgas Kohlendioxid. Als Dämmstoff im Haus halte Hanf viel besser im Sommer die Hitze draußen – die Klimaanlage könnten sich die Bauherren sparen. Für Hock-Heyl sind dies alles „Dinge, die für die Zukunft wichtig sind“. Schließlich müssten politische Ziele wie die Energiewende auch umgesetzt werden.
Um diese Vorzüge bekannter zu machen, will die Unternehmerin das Preisgeld von 250 000 Euro verwenden, um einen Interessensverband zu gründen. „Der Marktanteil von Naturdämmstoffen liegt bei nur vier Prozent, das ist natürlich nicht viel“, sagt sie. Neben Bauherren müssten auch Architekten und Handwerker noch mehr über natürliches Dämmen aufgeklärt werden. „Da muss man noch viel Arbeit leisten.“