Schuld hat der Fahrdienstleiter

Das bestätigt am Dienstag die Staatsanwaltschaft. Dem 39-Jährigen drohen bei Verurteilung bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Natalie Kettinger |
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Noch immer liegen Zug-Trümmer an der Unglücksstelle. Die Strecke zwischen Rosenheim und Holzkirchen ist weiterhin gesperrt.
dpa Noch immer liegen Zug-Trümmer an der Unglücksstelle. Die Strecke zwischen Rosenheim und Holzkirchen ist weiterhin gesperrt.

Bad Aibling - Er hat fast 20 Jahre Berufserfahrung – und trotzdem einen tödlichen Fehler gemacht: Die Staatsanwaltschaft Traunstein bestätigte am Dienstag offiziell, dass sie wegen des verheerenden Zugunglücks am Faschingsdienstag gegen den Fahrdienstleiter ermittelt, der zum Unglückszeitpunkt im Stellwerk von Bad Aibling Dienst hatte. Gegen den 39-Jährigen wurde ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr eingeleitet.

„Sein Verhalten war nicht mit den Vorschriften und den für ihn geltenden Regeln vereinbar. Hätte er sich regelgemäß, also pflichtgerecht, verhalten, wäre es nicht zum Zusammenstoß gekommen“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Giese. „Es geht um menschliches Versagen mit katastrophalen Folgen.“

Lesen Sie hier: So sieht die Arbeit eines Fahrdienstleiters aus

Bei der Kolission zweier Regionalbahnen waren am 9. Februar elf Menschen getötet, 24 schwer und 61 leicht verletzt worden. Der Fahrdienstleiter hatte seinen Dienst im Stellwerk laut Polizei um 5 Uhr früh begonnen.

Um 6.47 prallten die beiden Meridian-Züge zwischen „Bad Aibling Kurpark“ und der Haltestelle Kolbermoor auf der eingleisigen Strecke aufeinander. Noch am selben Tag hatte die Kripo Rosenheim den Fahrdienstleiter zum Gespräch gebeten. Allerdings hätte dieser zunächst von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, sagt Wolfgang Giese.

 

"Ein Sondersignal gegeben, das nicht hätte gegeben werden dürfen“

 

Erst am Montag sei er im Beisein seiner Anwälte zu einer mehstündigen Vernehmung bereit gewesen. Was genau der Familienvater den Polizisten erzählt hat, wollten die Ermittler zunächst nicht sagen. Oberstaatsanwalt Jürgen Branz verriet lediglich: „Der Beschuldigte hat ein Sondersignal gegeben, das nicht hätte gegeben werden dürfen.“

Offenbar handelt es sich dabei um das Sondersignal „ZS1“, das ein rotes Stopplicht durch drei kleinere gelbe Lichter „überstimmt“ und den Lokführern damit anzeigt, dass sie weiterfahren dürfen.

So könnte der Fahrdienstleiter das Sicherungssystem „Punktförmige Zugbeeinflussung“ (PZB) außer Kraft gesetzt haben, mit dem die Unglücksstrecke – wie fast alle Bahntrassen in Deutschland – ausgestattet ist. Es wurde 2011 eingeführt, um Frontalzusammenstöße zu verhindern.

 

Als ihm das Ausmaß der Katastrophe klar wird, bricht er zusammen

 

Als er seinen Fehler bemerkte, setzte der Fahrdienstleiter noch mindestens einen Notruf ab – „aber der lief ins Leere“, so der Oberstaatsanwalt. Wie „Bild“ berichtet, soll der 39-Jährige zusammengebrochen sein, als ihm das ganze Ausmaß der Katastrophe klar wurde, die er angerichtet hatte, und Kollegen seinen Fehler gebeichtet hat.

Lesen Sie hier den AZ-Newsblog zum Zugunglück in Bad Aibling zum Nachlesen

Seitdem ist der Mann, in dessen Blut weder Alkohol noch Drogen festgestellt wurden, an einem sicheren Ort untergetaucht. Er wird geschützt – vor anderen und vor sich selbst. „Es geht ihm nicht gut“, sagte Jürgen Branz. Den Staatsanwälten stehe er jedoch jederzeit zur Verfügung.

Ein Grund, den Beschuldigten zu verhaften, besteht für die Ermittler im Moment nicht. Bestätigt ein Gericht die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, drohen dem 39-Jährigen bis zu fünf Jahre Gefängnis.

 

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