Schul-Start kostet mehr als 300 Euro

Lesen, Schreiben, Rechnung: Eltern müssen für ihre Kinder am Schulanfang tief in die Tasche greifen „Ein erheblicher Teil des Monatsgehalts geht für Schulsachen drauf“, sagen Lehrer. Dazu komme der Gruppenzwang. Wo es Hilfe gibt.
Die Materialliste hat Lena Brüderl schon vor Ferienbeginn mit nach Hause gebracht: Schnellhefter und Hausaufgabenheftchen standen darauf. Zeichenpapier, Folienstifte und alles andere, was die achtjährige Schülerin aus Wolfratshausen unbedingt für das kommende Schuljahr braucht. Schon vor einigen Tagen sind die Achtjährige und ihre Mutter Simone deshalb losgezogen und haben im Schreibwarenladen kräftig eingekauft: „Bis jetzt waren’s rund 65 Euro, die wir ausgegeben haben“, erzählt die Mutter. Als Lena vor zwei Jahren eingeschult wurde, waren es sogar 250 Euro, die für den Schulanfang fällig wurden.
Doch es kann sogar noch teurer kommen: Mit der Hilfe der Material-Listen einer ABC-Schützin, die in zwei Wochen eingeschult wird, und einer Schülerin, die demnächst in die vierte Klasse kommt, hat die AZ einmal nachgerechnet, was der Schulstart in Bayern kostet. Das Ergebnis: Eltern von Kindern, die eingeschult werden, müssen laut unseren Berechnungen 333,80 Euro bezahlen. Wessen Kind in die vierte Klasse kommt, muss 174,65 Euro berappen. Allerdings sind die Kosten für Schreibtische, Ausflüge oder das Papiergeld darin noch nicht enthalten.
Eltern im Zwiespalt
„Viel zu viel Geld ist das“, findet Bernadette Dechant, die stellvertretende Vorsitzende des bayerischen Elternverbands. Und auch Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, warnt die Eltern: „Da kann im September ein erheblicher Teil des Monatsgehalts für Schulsachen draufgehen.“
Dazu komme der Gruppenzwang: „Die Kinder achten schon sehr darauf, ob ihre Mitschüler auch die angesagtesten Schreib-Utensilien besitzen“, sagt Simone Fleischmann, Schulleiterin im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband – und warnt: „Es besteht durchaus die Gefahr, dass die Kinder ausgegrenzt werden, wenn sie von ihren Eltern nur Billigprodukte bekommen haben.“ Viele Eltern sind deshalb schon vor Schulbeginn im Zwiespalt: Einerseits können sie sich die hohen Kosten zum Schulanfang kaum noch leisten. Anderseits wollen sie ihren Kindern die bestmögliche Ausrüstung ermöglichen.
Hier gibt es Hilfe
Da Hartz-IV–Empfängern die Sonderleistungen gestrichen wurden und es keine Zuschüsse mehr für Schulranzen gibt, hat die Stadt eine freiwillige Leistung eingeführt: Hartz-IV-Empfänger bekommen seit dem vergangenen Schuljahr 100 Euro – die Zahlung ist einmalig und nur für Kinder, die in die erste Klasse kommen. Denn da sind die Ausgaben am höchsten. Rund 1400 Bedürftige wurde im vergangenen Schuljahr damit unterstützt. Betroffene können sich an ihre Sozialbürgerhäuser wenden.
Auch die Caritas hilft. In vielen Kleiderkammern gibt es mittlerweile auch Schulranzen, die an Bedürftige ausgegeben werden. Die Caritas in Garching und Unterschleißheim hat heuer zudem ein Extra-Projekt für den Schulanfang gestartet. Schon im Juni konnten sich Eltern, die berechtigt sind, an der dortigen Lebensmittelausgabe teilzunehmen, für Schulmaterial eintragen. „Danach haben wir die Schulsachen aus vorhandenen Spenden eingekauft und zwar nicht nur für die erste Klasse, sondern für alle, die bedürftig sind“, erklärt Inge Irschina von der Caritas Unterschleißheim.
Wer darauf nicht zurückgreifen will, dem empfiehlt Klaus Wenzel für die Zukunft, früh mit dem Sparen zu beginnen: „Wer sich bereits im Juni, Juli oder August einen kleinen Betrag zur Seite legt, der hat im September weniger Probleme.“ Letztlich könne man bei Zahlungsschwierigkeiten auch mit der Klassenleitung sprechen: „Nicht alle Dinge müssen sofort nach bei Schulbeginn vorliegen“, sagt Fleischmann.
Daniel Aschoff/Tina Angerer