Schottergärten wieder erlaubt? Jetzt droht die 180-Grad-Wende in Bayern

Bayerns Staatsregierung kassiert die Handhabe der Kommunen gegen die "Gärten des Grauens"‒ Kritik kommt sogar aus dem Lager der CSU.
von  Ralf Müller
Kies und Schotter statt Blumen und Gras - ein "Garten des Grauens".
Kies und Schotter statt Blumen und Gras - ein "Garten des Grauens". © Hannes P. Albert/dpa

München - Manche Regelwerke haben eine kurze Halbwertszeit. Ein Beispiel dafür ist der vor dreieinhalb Jahren mit großen Erwartungen in Kraft getretene Artikel 81 Absatz eins Nummer fünf der Bayerischen Bauordnung (BayBO).

Wenn es nach dem Willen der bayerischen Staatsregierung geht, soll die darin festgeschriebene Ermächtigung der Kommunen, Satzungen gegen unbegrünte Schottergärten zu erlassen, wieder gestrichen werden.

"Gärten des Grauens" ‒ Rückkehr von Steinen, Geröll und Kies in Bayern?

Im Fokus stehen die als "Gärten des Grauens" in Verruf gekommenen mit Steinen, Geröll, Kies oder Split bedeckten Flächen, auf denen als Blickfang zuweilen ein eingetopftes exotisches Gewächs thront.

Es ist noch nicht lange her, da wurden solche Gärten sogar als Vorzeigebeispiele für stylische Freiraumgestaltung auf Gartenschauen gezeigt. Doch im Zuge der Klimakrise und der Wetteränderungen erkannte man, dass diese Gartengestaltungen das Mikroklima negativ beeinflussen, die Hochwassergefahr steigen lassen und dem Artenschutz alles andere als dienlich sind.

Die Vorgängerin der jetzigen Staatsregierung zog daraus unter dem Beifall von Klima- und Naturschützern die Konsequenzen und ermächtigte die Kommunen, solche "Gärten des Grauens" zu untersagen.

Viele Städte folgten der Anti-Schotter-Bewegung

Erlangen setzte sich an die Spitze der Anti-Schottergarten-Bewegung. Es folgten viele andere Städte, unter anderem Nürnberg, Regensburg, Coburg und Landshut.

Der Beitrag zu mehr Grün und besserem Klima besonders in den städtischen Regionen wurde von der Staatsregierung gewürdigt. Ministerialrat Stephan Niederleitner aus dem Umweltministerium, Mitbegründer des "Blühpakts", lobte damals die Schottergarten-Verbotssatzung der Gemeinde Peißenberg, die diesen Schritt als zweite Kommune nach Erlangen getan hatte:

Schottergärten: Einst modern und stilvoll, dann Umweltsünde: Nun könnte eine Grad-Wende das Schicksal bayrischer Gärten bestimmen (Archivbild).
Schottergärten: Einst modern und stilvoll, dann Umweltsünde: Nun könnte eine Grad-Wende das Schicksal bayrischer Gärten bestimmen (Archivbild). © Annette Riedl/dpa/Symbolbild

"Die Initiative war klasse." Die damalige Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) sagte: "Wir geben den Städten und Gemeinden mehr Handlungsspielraum. Diese Lösung ziehen wir einem Verbot vor."

180 Grad-Wende in Bayern: "Sache des Bürgers, wie er seinen Garten gestaltet"

Doch jetzt hat sich der Wind in Bayern um 180 Grad gedreht. Entbürokratisierung hat Vorrang. Im vergangenen Monat verabschiedete die Landesregierung unter Markus Söder das "Erste Modernisierungsgesetz Bayerns", das die Möglichkeit der Kommunen zum Erlass solcher Satzungen streicht.

Neues Motto: Es sei "Sache des Bürgers, wie er seinen Garten gestaltet." Sollte das Gesetz wie geplant umgesetzt werden, verlieren schlagartig zahllose kommunale Freiflächen-Gestaltungssatzungen ihre Gültigkeit.

Rückkehr von Schottergärten: Söders Entbürokratisierungsoffensive kommt nicht nur gut an (Archivbild).
Rückkehr von Schottergärten: Söders Entbürokratisierungsoffensive kommt nicht nur gut an (Archivbild). © Peter Kneffel/dpa

Viel Zuspruch erntete die Söder-Regierung mit diesem Teil ihrer Entbürokratisierungsoffensive nicht. Klar positiv hat sich bisher nur der Haus- und Grundbesitzerverband geäußert. Wie erwartet kam heftiger Widerspruch von den Grünen.

Söders Entwurf zeige, dass er die Hitzeanpassung nach wie vor nicht ernst nehme, sagt die Bauexpertin der Grünen-Landtagsfraktion Ursula Sowa: "Gestaltungssatzungen für Freiflächen sind nötiger denn je ‒ er will sie streichen."

Kritik aus der CSU: "völlig misslungen" und "aus der Zeit gefallen"

Schwerer wiegt die Kritik aus dem CSU-Lager. In einem Brief an Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) nannten die Chefs von Städte-- und Gemeindetag, Markus Pannermayr und Uwe Brandl (beide CSU), die geplante Modernisierung "völlig misslungen" und "aus der Zeit gefallen".

Die großen Themen der Zeit wie Klimaanpassung, Biodiversitätskrise und Hitzestau in den Städten würden ignoriert. Die Kritik scheint nicht ohne Wirkung zu bleiben. Die entsprechende Einzelbestimmung in dem "Modernisierungsgesetz", das bereits dem Landtag zugeleitet ist, werde auf "möglichen Änderungsbedarf" hin "überprüft", heißt es aus dem Bauministerium.

Im Hause von Bauminister Christian Bernreiter (CSU) tritt man der Befürchtung, die angeblich pflegeleichten "Gärten des Grauens" könnten sich nun epidemieartig über den ganzen Freistaat ausbreiten, gleichzeitig entgegen. Von einem "Freifahrtschein für Schottergärten" könne keine Rede sein, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit: "Die Gartengestaltung wird lediglich weitgehend den Eigentümern überlassen."

Überarbeitung der Bestimmung: "Bodenversiegelung möglichst vermeiden"

Mit der Streichung der Ermächtigung zur Freiflächengestaltung gehe nach Darstellung des Ministeriums eine neue Bestimmung einher. "Soweit die Flächen (...) zulässigerweise anders verwendet werden, ist eine Bodenversiegelung möglichst zu vermeiden", heißt es darin.

Hinzu komme die Neufassung der bisherigen Regelung, nach der die Gemeinden "Bodenversiegelung, nicht begrünte Steingärten sowie ähnlich eintönige Flächennutzungen mit hoher thermischer oder hydrologischer Last oder erheblich unterdurchschnittlichem ökologischem oder wohnklimatischem Wert" untersagen können.

Den Kritikern reicht das nicht. Schottergärten seien auch nach der geplanten Neuregelung möglich, solange der Boden nicht versiegelt werde, kritisierte der Bürgermeister von Oberhaching, Stefan Schelle (CSU).

Künftig werde man sich streiten, ob irgendein darauf gestellter "japanischer Bambus" eine "Begrünung" darstelle oder nicht. So viel ist jedenfalls klar: Bereits angelegte Schottergärten genießen Bestandsschutz und müssen nicht rückgebaut werden. 

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