Schnäppchen im Osten? Die Tschechen shoppen bei uns!
Fünf Jahre EU- Osterweiterung: Die Angst ist gewichen – und die Wirtschaft im Grenzland Franken-Böhmen hat gewonnen.
BAYREUTH Die Ängste sind längst verflogen. Fünf Jahre nach der EU-Osterweiterung sehen sich Bayern und Tschechen als Partner auf Augenhöhe. Unter dem Strich hat die Wirtschaft im Grenzland zwischen Hof und Passau von der Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union und dem Wegfall der Zollschranken profitiert. Vor allem der Mittelstand sieht das benachbarteBöhmen als attraktiven Markt.
Das gilt auch umgekehrt. Im Einzelhandel und in der Gastronomie blüht die Konjunktur nach Einschätzung der Wirtschaftskammern mittlerweile in beide Richtungen. Die Zeiten, in denen in erster Linie Bundesbürger nach Tschechien gefahren sind, um dort billig Lebensmittel zu kaufen, sind vorbei. Die Tschechen bevölkern umgekehrt längst bayerische Läden und kaufen hochwertige Kleidung, Sportartikel, aber auch Luxusgüter.Die Einkaufstour kombinieren sie oft mit Freizeitaktivitäten: Besonders beliebt seien „Einkaufen, Operette und Wellness“, sagt Alfred Brunnbauer von der Industrie- und Handelskammer in Regensburg.
Ein Problem sind noch die Sprach-Barrieren
In Weiden sind nach Schätzungen 20 Prozent der Kunden Tschechen oder Polen, in Regensburg liegt die Quote zwischen fünf und zehn Prozent. Die Oberpfalz profitiert dabei besonders von der Autobahn A6 Prag-Nürnberg. „In Oberfranken haben wir dagegen beim Ausbau der Verkehrswege noch Nachholbedarf“, sagt Norbert Raps von der IHK in Bayreuth. Wie seine Kollegen in Regensburg und Passau sieht der Standortexperte aber noch Entwicklungspotenzial in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und Tschechien, die Kooperationen seien noch ausbaufähig.
Als Hemmschuh in der Entwicklung erweist sich die Sprache. „Ältere Tschechen können kein Deutsch, aber auch kein Englisch“, beschreibt Raps die Problematik. Umgekehrt beherrscht kaum ein Deutscher die schwere tschechische Sprache. Die Kammern bemühen sich, dieses Defizit abzubauen. Gemeinsam haben sie ein Wörterbuch für den Handel aufgelegt, das wichtige Alltagsbegriffe in Englisch, Tschechisch, Deutsch, Polnisch und Russisch auflistet. Sie geben den Händlern Tipps, wie sie Tschechen anlocken können, etwa mit Sprachkursen für Mitarbeiter, Hinweisschildern auf Tschechisch oder mit gezielten Werbeaktionen im Nachbarland.
„Die Tschechen schätzen einfach die deutsche Qualität“
Auch im Handwerk hat sich die anfängliche Furcht, von Billigkonkurrenz überflutet zu werden, längst gelegt. Umgekehrt gibt es keinen einzigen Betrieb, der seinen Firmensitz aus Kostengründen nach Tschechien verlegt hat, betont Rainer Beck von der Handwerkskammer in Bayreuth. Das Lohngefälle ist in den letzten fünf Jahren deutlich geschmolzen. Das erleichtert bayerischen Handwerkern, sich neue Absatzmärkte in Böhmen zu erschließen. „Die Tschechen schätzen deutsche Qualität, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit“, ergänzt Beck.
Die Beschränkung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer- und Dienstleistungen war aus der Sicht der Kammer-Experten überflüssig. „Die Abschottung war das falsche Signal“, sagt Alfred Brunnbauer von der IHK in Regensburg. Mittlerweile hat im bayerisch-tschechischen Grenzraum schon „ein Kampf um die Köpfe“ begonnen, wie es Brunnbauers Kollegen Raps nennt. „In einer ausblutenden Region brauchen wir junge Leute, sonst sind wir irgendwann ein Rentnerparadies“, betont Beck.
Nach Berechnungen der Kammern fehlen allein im Grenzraum von Niederbayern und Oberösterreich rund 5000 Fachkräfte, darunter Schweißer, Elektroniker, Schlosser und Monteure.
Arbeiter aus Tschechien könnten diese Lücke zumindest teilweise füllen. Deshalb verlangen die Kammern eine „bedarfsgerechte Zuwanderung“, wie sie schon in Österreich praktiziert wird. Für „Mangelberufe“ werden dort die Richtlinien gelockert. Wenn der Bedarf gedeckt ist, würden die Zügel dann wieder straff gezogen, erklärt Ludwig Rechenmacher, Außenhandelsexperte der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz.
M. Präcklein/F. Jädicke
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