Schloss Berg: Ausstellung über König Ludwig II. von Bayern

Schloss Berg: Eine aktuelle Ausstellung befasst sich mit König Ludwigs Rückzugs-Refugium am Starnberger See. Allerdings nicht vor Ort – sondern im Kloster Benediktbeuern.
von  Karl Stankiewitz
Historische Aufnahme von Schloss Berg.
Historische Aufnahme von Schloss Berg. © Koch von Berneck

Starnberg - Kinderparadies und Kerker, Regierungssitz und Refugium, Tummelplatz und Totengruft – all das war Schloss Berg für den Kronprinzen und König Ludwig II. So wie er selbst den Menschen ein "ewig Rätsel" bleiben wollte, so ist sein Lieblingsplatz am Starnberger See in allerlei Geheimnisse eingewoben. Nur vom Schiff aus ließen sich einst die (mittlerweile abgerissenen) Zinnen des Dornröschenschlosses erblicken. Nur der Gärtner und wenige Hausangestellte dürfen heute eines der drei Eisentore zwischen den Buchsbaumhecken passieren.

Schloss Berg ein Gegenstück zu Touri-Rummelplätzen

Das krasse Gegenstück zu den touristischen Rummelplätzen, als die sich die berühmteren Ludwigs-Schlösser heute darbieten. Der Zutritt ist auch dem Schriftsteller Alfons Schweiggert verwehrt, der bisher immerhin zehn Bücher über den unglücklichen Bayernkönig veröffentlicht hat. Schweiggert weiß nicht einmal, welcher Wittelsbacher-Spross das Anwesen zur Zeit bewohnt. Trotzdem hat er für den Bezirk Oberbayern eine Ausstellung über die "heimliche Residenz" kuratiert. Am Sonntag, 6. Mai, öffnet sich die Pforte, natürlich nicht "an Ort und Stelle" – sondern im Maierhof des Klosters Benediktbeuern.

Während die große Landesausstellung im benediktinischen Kloster Ettal (<em>AZ</em> berichtete) eher den Mythos des Märchenkönigs veranschaulicht, will das Kloster an der Loisach das ganz konkrete Leben und Wirken eines teils regierenden, teils träumenden Monarchen dokumentieren. Das kann sich der Besucher –übrigens bei freiem Eintritt – anhand der Schriftstücke, Bilder, Pläne, Objekte und eines dicken Begleitbuchs ungefähr so vorstellen: Nur allzu gern entfloh Ludwig alljährlich am 11. Mai der Residenzstadt München, dieser "verhassten Erdenwelt", um bis zu vier Monate lang die "wohlthuende Ruhe und Landluft" auf dem Hügel am Würmsee zu genießen. Er fuhr im blau-goldenen Salonwagen, am liebsten nachts; bei Mondschein ließ er gern mal halten.

König Ludwig wohnte im Blauen Salon

Im reich dekorierten Bahnhofssalon von Starnberg nahm er eine Chocolade, bevor er auf seinem Privatdampfer "Tristan" gen Berg dampfte. Die Kutsche brachte ihn durch einen Laubengang, der ihn den Blicken der seinetwegen anreisenden Touristen entzog, hinauf ins neugotisch umgebaute Barock-Schloss, dem er zur Aussicht einen fünften Turm aufgesetzt hatte.

Im Blauen Salon wohnte und arbeitete der König. Umgeben von Bildern sämtlicher Wagner-Opern und einer Büste des verehrten Meisters. Auf dem Klavier soll sein Freund selbst gespielt haben. Ludwig lauschte dem Klavierspiel seines Freundes, für den er die Villa nebenan gemietet hatte.

Er las viel, meist Historisches, aber auch eine Schrift "über den Selbstmord". Nachts schrieb er sehnsuchtsvolle Liebesbriefe und Gedichte, etwa an einen Herrn von Ziegler: "Kein Tag verging, an dem ich Dein nicht dachte, wenn auch entfernt, so warst Du doch mir nah..." Gern ließ er sich vom Hof-Fotografen Joseph Albert porträtieren. Er fotografierte auch selbst, denn "mein Inneres ist sensibel wie eine photographische Platte". Nächtelang auch entwarf er in dem schon 1640 erwähnten Schloss Berg neue, fantastische Schlösser.

An der mit Goldlilien geschmückten Wand über dem Himmelbett hingen "Projekte zu einem neuen Theater in München" (das dann in Bayreuth verwirklicht wurde). Allein, in sich versunken, durchwanderte der Romantiker den von Sckell und Effner mit Blumengarten und Springbrunnen gestalteten Park, den er durch ein gläsernes Teehaus und einen Maurischen Kiosk verschönern ließ.

Stundenlang rastete er in einer Felshöhle, die ihm die Idee für die Blaue Grotte von Linderhof eingab. Der Laubengang führte hinunter zur Bade- und Bootshütte. Der König schwamm sehr gern und gut, was viele am Tod "durch Ertrinken" zweifeln ließ.

Noch lieber ritt er. Der Park hatte einen eigenen Marstall (wo alle Bediensteten nach dem Tod auf Kreuz und Bibel schwören mussten, über das Geschehen lebenslang zu schweigen). Am Seeufer dienten Pferdekoppeln als Schwemmen. Dort stand auch die Bank, wo der Internierte bei der Rast mit dem Psychiater Dr. Gudden die Flucht geplant haben soll. Sie ist seit dem Unglück verschwunden.

Es waren weite Ausritte, bis ins Tiroler Zillertal. Oft ritt er mehrere Nächte hintereinander. Dabei besuchte der sonst so menschenscheue Monarch auch mal Wirtshäuser wie das der legendären "Fischerliesl" am Schliersee; der Reitknecht musste immer einen Almosenbeutel mitnehmen.

In Tutzing besuchte er den Schriftsteller Maximilian Schmidt, der den bayerischen Tourismus organisiert hat, im Schloss Ammerland den satirischen Grafen Franz von Pocci, den er sogar bedichtete, in Niederpöcking den Märchenmaler Moritz von Schwind, im Schloss Fürstenried den geisteskranken Bruder Otto, im Schloss Possenhofen die Herzogin Sophie, seine Cousine und zeitweilige Verlobte.

Mit Cousine Sisi setzt Ludwig von Berg aus zur Roseninsel über

Am häufigsten traf sich Ludwig, während er auf seinem Lieblingsschloss weilte, mit Sophies Schwester Elisabeth in Bayern. Die Base wohnte als Kind im elterlichen Schloss Possenhofen, als Kaiserin von Österreich verbrachte sie die Sommermonate von 1867 bis 1870 auf Schloss Garatshausen und danach im moderneren Hotel Strauch in Feldafing, wo für sie extra ein Fitness-Studio eingerichtet war. Bei ihr erschien der acht Jahre jüngere Ludwig meist in österreichischer Uniform und, wie Sisi erzählte, "ganz mit Chypre parfümiert". Alle Bediensteten mussten sich dann entfernen.

Dem Dorf Possenhofen schenkte der Bau-König einen Bahnhof, den er komplett mit Lilien schmücken ließ. Am liebsten aber setzten die Seelenverwandten mit dem Kahn zur menschenleeren Roseninsel über.

Als regierender Fürst konnte der einsame Bayern-Herrscher nicht umhin, gelegentlich hohe Gäste zu empfangen. Zu Ehren der russischen Zarin Alexandrowna wurde ein gigantisches Brillantfeuerwerk gezündet, Dorfkinder, darunter der Berger Bäckerbub und spätere Dichter Oskar Graf, mussten Verslein aufsagen.

Kühl war indes der Empfang Kaiser Wilhelms I. im August 1871: Neben ihm sitzend, soll sich Ludwig nur mit dem Oberhofmeister unterhalten haben – über Geisteskranke. Hatte er, der Pazifist, doch 1866 "Höllenqualen" durchlitten, wie er seinem "geliebten, wunderbaren Freund" Wagner schrieb, weil ihm seine Regierung zum Bruderkrieg gegen Österreich an der Seite Preußens nötigte; um der bitteren Entscheidung zu entgehen, floh er mit seinem Reitknecht in die Schweiz.

Es sind zum Teil wenig oder gar nicht bekannte Episoden und Anekdoten, die da in Benediktbeuern dokumentiert sind. Auch alle wichtigen politischen Ereignisse – die Kriege 1866 und 1870/71, die Reichsgründung sowie die Idee eines "Geheimbundes" – sind eng mit Schloss Berg verbunden.

Vergleichsweise zurückhaltend dagegen der rätselhaft gebliebene Tod. Dieses Kapitel könnte, wie Schweiggert meint, allein das im Hauptstaatsarchiv verwahrte Geheimarchiv des Hauses Wittelsbach aufhellen. So muss sich der Besucher diesbezüglich mit einigen Raritäten begnügen, beispielsweise mit der Totenmaske aus dem Lainzer Sisi-Museum.


Die öffentliche Vernissage zu "Schloss Berg – Ludwig II. heimliche Residenz" findet am 6. Mai um 18 Uhr im Kloster Benediktbeuern statt. Die Ausstellung ist bis 3. Juli sonntags von 11 – 17 Uhr, dienstags und samstags von 13 – 17 Uhr geöffnet. Das Buch "Ludwig II. und sein Paradies am Starnberger See" (24,90 Euro) von Alfons Schweiggert ist im Allitera Verlag erschienen.

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