Schlachtensturm mit Laubsauger

„Johanna Holzschwert“als geglückte Historien-Comedy von Alex Byrne im Theater Mummpitz
von  Abendzeitung
Johanna Holzschwert in „grandiosen Abenteuern“: Thomas Stang, Michael Bang, Michael Schramm (hi.) und Sabine Zieser.
Johanna Holzschwert in „grandiosen Abenteuern“: Thomas Stang, Michael Bang, Michael Schramm (hi.) und Sabine Zieser. © Ott

NÜRNBERG - „Johanna Holzschwert“als geglückte Historien-Comedy von Alex Byrne im Theater Mummpitz

Übermut tut manchmal gut: Als die Schulranzen-Amazonin nach vollbrachtem Freiheitskampf mit ihrem Schlachtross, das irgendwie nach Fahrrad aussieht, eine Klingel hat und auf den Namen „Peugeot“ hört, aus ihrem Traum zurückkehrt, sieht’s zuhause „aus wie auf einem Schlachtfeld“, moniert die Kittelschürzen-Mama. Ist ja logisch, ein Sieg über Engländer und andere Ängste ist ohne großes Gemurkse nicht zu haben. Ohne großes Vergnügen mitunter auch nicht. Im Kindertheater Mummpitz schlägt der britische Gastregisseur Alex Byrne für die Jungfrau von Orleans mit der Slapstick-Pritsche nach einem gelben Reclam-Klassiker (ja, auch die Schillerstraße dient als Haltestelle) – und landet mit einem Ensemble in bester Spiellaune einen Volltreffer. „Die grandiosen Abenteuer der tapferen Johanna Holzschwert“ lassen eine stelzende Nationalheldin Purzelbäume in die Pausenhof-Gegenwart schlagen. Bedingungslose Kapitulation ist die Folge: Bei der Uraufführung gab’s getrampelten Beifall von Groß und Klein. So soll’s sein.

„Holzschwert, Kopf verkehrt“ mobben die drei blonden Gretel-Zöpfe ihre von Mittelalter und Hexenverbrennung beseelte Mitschülerin. Was mit dem geräuschvollen Herausreißen einer Seite aus Johannas Lieblingsbuch beginnt, endet mit dem wütenden Einwerfen eines „Doppelglas-Lärmschutzfensters“ und anschließenden Lehrer-Brief an die Eltern. Johanna zieht sich zur inneren Beratung in den Tiergarten zurück und wird von den Erdmännchen inspiriert: Erst dem französischen Dauphin, der nicht verwandt ist mit einem Delphin, zur Königskrone verhelfen (samt möglicher Denkmals-Pflege in „Johanna on Ice“), dann ist auch der heimische Krisenherd mit Taschengeld-Entzug (12 Jahre, 5 Monate, 4 Wochen) ein Klacks. „Was dann kam“, erfährt man, „war kein Ferienlager“. Denn nicht einmal die Aufforderung an die Eltern des Königs von England, sie möchten doch in die Sprechstunde kommen, weil der Sohn „gegen die Regeln verstoßen“ habe, kann die Schlacht verhindern.

Sabine Zieser als Johanna besteht auf „Kinderspielë“ mit Anspruch und lässt sich von Michael Bang, Michael Schramm und Thomas Stang durch herrliche Handlungs-Sackgassen, Kleiderständer-Paläste und Laubsauger-Turbu-

lenzen steuern, dass es eine Schau ist. Alex Byrne schafft in seiner temporeichen Helden-Comedy ein detailfreudiges Ping-Pong aus Pointen und Phantasie, das bis zum dumpfen Beat der Schlachten-Pauke durchdacht und (v)erspielt ist. Holzschwert, sehenswert. Andreas Radlmaier

Nächste öffentliche Vorstellungen: 1. 11., 16 Uhr, 2. 11., 15 Uhr. Tel. 0911-600059

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