Scheungraber geht auf Richter los

Tags zuvor noch ein gebrochener Mann, ging Josef Scheungraber heute auf die Richter des Münchner Landgerichts los. Das Urteil sei ein „Schwindel und ein Saustall sondersgleichen“, giftete der 90-Jährige im BR-Magazin "Kontrovers".
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Josef Scheungraber während seines Prozesses im November 2009
dpa Josef Scheungraber während seines Prozesses im November 2009

MÜNCHEN/OTTOBRUNN - Tags zuvor noch ein gebrochener Mann, ging Josef Scheungraber heute auf die Richter des Münchner Landgerichts los. Das Urteil sei ein „Schwindel und ein Saustall sondersgleichen“, giftete der 90-Jährige im BR-Magazin "Kontrovers".

Das Kamerateam des BR lief dem 90-Jährigen heute zufällig vor dem Ottobrunner Rathaus über den Weg. Scheungraber war am Dienstag als Kriegsverbrecher zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Musste er sich im Prozess noch auf eine Krücke stützen, wirkte er jetzt äußerst gesund und fidel. „Die Krücke hatte er gar nicht dabei“, erzählt ein TV-Redakteur.

Während des gesamten Prozesses hatte Scheungraber Interviews immer abgelehnt. Doch nach einem Besuch beim Ottobrunner Bürgermeister Thomas Loderer platzte es aus ihm förmlich heraus: „Die können mich nicht einsperren. Weil der ganze Schmarrn verlogen und erstohlen ist“, schimpfte der frühere Wehrmachtsoffizier. Wütend zog er im TV-Interview über den vorsitzenden Richter Manfred Götzl und seine Kollegen her: „Wenn ich mir diese Richter da droben ansehe, da war vor 65 Jahren noch keiner auf der Welt. Was haben die für eine Ahnung vom Krieg, von Nationalsozialismus, vom Dritten Reich.“

Scheungraber, der die Verbrechen bestreitet, bekräftigte, dass er nicht aufgeben und weiterkämpfen werde. Er hat bereits Revision vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt: „ Jetzt müssen sie wieder von vorn anfangen.“

Revisionsverfahren beginnt erst Anfang nächsten Jahres

Nach einer elfmonatigen Beweisaufnahme sind die Münchner Richter überzeugt, dass Scheungraber im Juni 1944 in der Toskana als Kompaniechef den Befehl gab, ein Haus mit elf Zivilisten zu sprengen. Drei weitere Menschen wurden erschossen. Der Tod von 14 Zivilisten war die Rache für einen Angriff von Partisanen, bei dem damals zwei Soldaten starben.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird sich wegen der Begründungsfristen für Gericht und Verteidigung erst um die Jahreswende mit dem Fall befassen. Josef Scheungraber bleibt bis zur Entscheidung voraussichtlich auf freiem Fuß, weil keine Fluchtgefahr besteht. In Ottobrunn tobt unterdessen der Streit, wie es im Fall Scheungraber weitergeht. Er war Ehrenkommandant der Feuerwehr, 17 Jahre Gemeinderat und ist Träger der Ottobrunner Bürgermedaille. Die Auszeichnung erhielt er 2005.

Jetzt soll sie ihm wieder aberkannt werden. Bürgermeister Thomas Loderer zögert. Der Ältestenrat gab gestern einstimmig die Empfehlung ab, dass der Gemeinderat mit einer Entscheidung warten solle, bis das Urteil rechtskräftig ist.

rah,dur

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