Scheuer: "Ich habe Riesenspaß am politischen Nahkampf"

Berlin ist für ihn ein "Asyl-Mekka", Schulz’ Höhenflug nur eine Zeiterscheinung und die Gleichstellung homosexueller Paare eher nichts für seine Partei: Ein Gespräch mit CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
von  Natalie Kettinger und Michael Schilling
"Wir brauchen uns nicht nervös machen lassen": CSU-Generalsekretär bei seinem Besuch in der AZ-Redaktion im Westend.
"Wir brauchen uns nicht nervös machen lassen": CSU-Generalsekretär bei seinem Besuch in der AZ-Redaktion im Westend. © Sophie Anfang

München - Womöglich passt der Job des CSU-Generalsekretärs einfach gut zu den persönlichen Vorlieben seines Amtsinhabers. Wie er seinen Kaffee möchte, wird Andreas Scheuer (42) beim Redaktionsbesuch in der AZ gefragt. "Schwarz", antwortet er rasch: "Keine Koalitionen."

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Er verzieht dabei keine Miene, obwohl ihm Parteifreunde durchaus Humor nachsagen. Es dauert keine zwei Minuten, dann spricht Scheuer mit Inbrunst vom "Schrecken Rot-Rot-Grün", den er gleichbedeutend sieht mit dem Niedergang Deutschlands. Er spricht oft vom 24. September, dem Tag der Bundestagswahl. "Unser Endspiel" sei das, "im Finale wird abgerechnet". Keine Frage, der Mann läuft längst im Wahlkampf-Modus.

AZ: Mal ehrlich, Herr Scheuer, macht es eigentlich Spaß, den CSU-Wadlbeißer zu geben, der vor der Rotfront warnt?
ANDREAS SCHEUER: Man braucht Politiker, die auf Probleme deutlich hinweisen, auch mal zuspitzen: klare Kante, klarer Kurs, klare Ansage. Ich habe Riesenspaß am Job des Generalsekretärs – und am politischen Nahkampf. Das gehört zur Stellenbeschreibung. Ich bin aber ja nicht nur für die Kampagne, sondern auch fürs Wahlprogramm zuständig, für die großen Linien. Darum schauen wir bei dieser Frage doch lieber auf die Inhalte.

"Schulz, der scheinbar übers Wasser laufen kann, wird einsinken"

Auf welche etwa?
Beispiel: Als wir in der CSU damals die Westbalkan-Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklären wollten, wurde das als populistisch und überzogen kritisiert. Monate später haben die anderen doch zugestimmt, und heute kommen keine Migranten vom Balkan mehr. Und jetzt müsste Rot-Grün Farbe bekennen, wenn es darum geht, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Ablehnungsquote liegt hier bei 99 Prozent. Deshalb brauchen wir diese Einstufung, um auch hier den Asylmissbrauch einzuschränken – um uns auf die zu konzentrieren, die wirklich Schutz brauchen und eine Bleibeperspektive haben. Das ist nur eines von vielen Themen, bei denen wir die Unterschiede zwischen Union und Rot-Rot-Grün deutlich machen.

Die CSU verliert Mitglieder, die SPD gewinnt mit Martin Schulz neue hinzu.
Stopp! Auch wir in der CSU haben klar mehr Eintritte als Austritte – durch Sterbefälle ist unsere Mitgliederzahl leicht sinkend, aber wir sind sehr stabil. Schulz ist ein neuer Kandidat in einer alten Partei. Wir werden erleben, dass Schulz, der ja scheinbar übers Wasser laufen kann, schnell einsinkt.


"Klare Kante, klarer Kurs, klare Ansage": Andreas Scheuer im Gespräch mit AZ-Politikchefin Natalie Kettinger und Chefredakteur Michael Schilling; Zweiter von rechts: CSU-Pressesprecher Simon Rehak. Foto: Sophie Anfang

Mit Blick auf das von Ihnen angesprochene Endspiel: Wie ändert die CSU ihre Taktik mit Blick auf Schulz, den neuen Spielmacher des Gegners?
Schulz hat, um im Bild zu bleiben, im Moment vielleicht gerade mehr Leute in die Fankurve gebracht. Aber die Mannschaft ist damit nicht besser geworden. Wir brauchen uns nicht nervös machen lassen. Wir sind immer noch in der Vorrunde. Alles, was Schulz zuletzt als Kandidat versprochen hat, bedeutet eine Milliarden-Ausgabenflut und ein Zurückdrehen der Reformen, die gut für Deutschland sind. Die SPD vollzieht gerade die Rolle rückwärts hin zu Oskar Lafontaine. Die Verlängerung der Arbeitslosengeldzahlung bedeutet doch nur, dass die SPD die Arbeitslosigkeit besser verwalten möchte. Unser Ansatz dagegen ist: sozial ist, was Arbeit schafft. Der SPD-Ansatz wird zu einer massiven Frühverrentung führen oder zu einem Verharren in der Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist nicht sozial!

Und doch: In Zeiten der von der Union gepriesenen Agenda 2010 hat sich die soziale Kluft in Deutschland vergrößert – ein Nährboden für die AfD.
Zum Thema soziale Gerechtigkeit nebenbei bemerkt: Alle Schlüssel-Ministerien, in denen Sozialpolitik verantwortet wird, hat seit Jahren die SPD im Bund inne. Wir müssen natürlich nachbessern bei der Alterssicherung. Riester hat sich überholt, da müssen wir der nachfolgenden Rentnergeneration mehr anbieten, etwa in der betrieblichen und privaten Altersvorsorge.

"Menschen in Arbeit bringen, die aus unserem kulturellen Umfeld sind"

Unter den Asylbewerbern in Bayern sind viele, die arbeiten wollen – und nicht dürfen. Diese Menschen kosten den Staat Geld. Was spricht dagegen, sie arbeiten und Steuern zahlen zu lassen?
Zunächst einmal müssen wir prüfen, ob ein Asylbewerbereine Bleibeperspektive hat oder nicht. Wer nach Recht und Gesetz hier bleiben kann, der kann dann auch arbeiten. Wenn wir diese Unterscheidung nicht machen, wäre das ein Anreizsystem für Wirtschaftsmigration und Asylmissbrauch. Wir haben Gesetze, die die Einwanderung regeln.

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Handwerksbetriebe suchen oft monatelang vergeblich nach Auszubildenden – und sind froh, wenn sie endlich einen finden, etwa aus Afghanistan, Pakistan oder Mali. Wie erklären Sie es diesen Meistern, dass der Ausbildungsvertrag nicht genehmigt wird?
Schauen Sie sich mal die Realität an. Vorher hat man gesagt: Super, die Flüchtlinge werden unsere Fachkräfte von morgen. Es gibt sicher auch positive Beispiele der Integration in den Arbeitsmarkt. Aber selbst die zuständige SPD-Ministerin Andrea Nahles räumt jetzt ein, dass 400  000 Geflüchtete Hartz IV beziehen, Tendenz steigend. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit, gerade bei Qualifizierung.

Was spricht dagegen, eine Art Belohnungssystem zu schaffen: Wer selbst für sich aufkommen kann, darf bleiben?
Wir sind ja nicht allein auf der Welt. 60 Millionen Menschen sind weltweit in Bewegung. Und wenn ich sehe, dass die Bewegungen auf der Südroute über Afrika im letzten Jahr um 35 bis 40 Prozent angestiegen sind, dann wäre das ein gigantisches Anreiz-System. Man sollte erstmal damit anfangen, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpft wird. Wir haben genug Länder in Europa mit 15 oder 20 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Und wir sollten ein Interesse daran haben, Menschen in Europa in Arbeit zu bringen, die aus unserem kulturellen Umfeld sind.

"Brauchen wir dich – oder brauchen wir dich nicht?"

Und die anderen?
Es ist ein Problem, dass wir schon viel zu viele Menschen im Land haben, die nach Recht und Gesetz keine Bleibeberechtigung haben. Für reine Wirtschaftsmigranten ohne Perspektive haben wir keinen Platz. Deshalb wollen wir als CSU vor dem Eintritt ins Staatsgebiet eine klare Botschaft: Brauchen wir dich – oder brauchen wir dich nicht? Andere Staaten regeln das genauso.

Wie schwierig die Einschätzung einer Bleibeperspektive ist, sieht man gerade an Afghanistan. Über die Sicherheitslage dort wird heftig diskutiert.
Der erste Fehler der Weltgemeinschaft war, dass man die sicheren Flüchtlingslager in der Nähe der Krisen- und Konfliktherde nicht durch Nahrung, Wasser und Bildungsangebote abgesichert hat und so die Leute erst auf einen gefährlichen 3000 Kilometer langen Weg getrieben hat. Der zweite Fehler wäre, wenn man nicht daran denkt, dass die Menschen ihre Heimat nach der Rückkehr wieder aufbauen können.

Wo sollen denn die sicheren Gebiete sein, in die Sie die Menschen zurückschicken wollen?
Die Bundeswehr mit unseren Partnern ist in Afghanistan und sichert das Land. Irgendwann wird sich auch in Syrien diese Frage stellen, wenn hoffentlich bald die ersten Pflänzchen einer friedlichen Entwicklung wachsen, wann die, die damals einen Fluchtgrund hatten, wieder zurückkehren.

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Fliegt Deutschland deshalb 18 Leute nach Kabul aus – in einem Flugzeug, das eine sechsstellige Summe kostet?
Sollen wir die hierlassen? Trotz abgelehnter Asylbescheide? Dann würde der Rechtsstaat nicht mehr Recht durchsetzen, das wollen wir nicht. Wir wollen nicht wie das rot-grüne Schleswig-Holstein, das rot-rot-grüne Thüringen oder das Asyl-Mekka in Berlin durch einen Abschiebestopp Rechtsbruch begehen. Dann können wir das Asylverfahren vergessen!

Glauben Sie, dass die CSU mit der Forderung nach einer Obergrenze noch Wähler hinter dem Ofen hervorlockt?
Ja, denn in Bayern wollen knapp 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine Begrenzung der Zuwanderung. Das wird ein zentrales Thema bleiben, vor allem bei der Erstellung des Koalitionsvertrages.

"Familien mit Kindern haben in unserer Gesellschaft Vorfahrt"

In München trommelt CSU-Bürgermeister Josef Schmid für eine Gleichstellung homosexueller Paare. Jenseits der Stadtgrenze lässt ihn seine Partei da weiter allein, oder?
Dazu haben wir klare Beschlüsse. Unsere erste Priorität ist, dass sich der Staat auf Familien mit Kindern konzentrieren muss, ohne andere Formen der Familie zurückzusetzen. Eine völlige Gleichstellung, vor allem beim Thema Adoption, halte ich für zu weit. Da haben wir in einer großen Volkspartei durchaus unterschiedliche Auffassungen: In der Großstadt wird das anders gesehen als im ländlichen Raum. Aber: Familien mit Kindern haben in unserer Gesellschaft Vorfahrt.

Ihr durchaus einflussreicher CDU-Kollege Jens Spahn, der offen schwul lebt, wird mit diesen Antworten nicht glücklich sein.
Aber dafür ist er mit vielen anderen meiner Antworten glücklich. Sehr glücklich.

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