Rundflug über blühender Landschaft

Poster-Satire: Beim Poetenfest zeigt Erlangen im Markgrafentheater die größte Schau von Klaus Staeck – und behält sie.
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Spalier unverschämter Wahrheiten: In den Foyers des Markgrafentheaters sind 210 Poster von Klaus Staeck zu sehen.
Berny Meyer Spalier unverschämter Wahrheiten: In den Foyers des Markgrafentheaters sind 210 Poster von Klaus Staeck zu sehen.

NÜRNBERG - Poster-Satire: Beim Poetenfest zeigt Erlangen im Markgrafentheater die größte Schau von Klaus Staeck – und behält sie.

Als Klaus Staeck, der heutige Präsident der Berliner Akademie der Künste, im Jahr 1980 mit seiner Plakat-Satire buchstäblich rahmensprengend auf dem Erlanger Hugenottenplatz antrat, gab es große Aufregung in bürgerlichen Kreisen. Da hatte sich die Empörung in Nürnberg, wo er zum Dürer-Jahr 1971 das fein gestrichelte Porträt von Albrechts faltenreicher Mutter mit der Zeile „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ konterte, schon etwas gelegt. Auch über das sarkastische Poster „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“, dazumal geradezu ein Markenzeichen in Jürgen Wolffs „Plakaterie“, lachten längst nicht alle. Konservative Politiker fühlten sich ertappt und waren beleidigt, traditionstrunkene Museumsleute wiegelten blasiert mit dem Hinweis ab, die dann millionenfach reproduzierten Motive gehörten nicht zur „Kunst“. Jetzt kann man (27. bis 30. August, jeweils 11 bis 22 Uhr bei freiem Eintritt) in den Foyers des Erlanger Markgrafentheaters sehen, wie sehr sie sich getäuscht haben.

340 Plakate standen Kurator Karl Manfred Fischer für die Schau im Rahmen des Poetenfestes zur Verfügung und bleiben danach „für einen Sonderpreis“ als weltweit größte Staeck-Sammlung in Erlangen. 210 ausgewählte Motive aus 40 Jahren, ergänzt mit TV-Interviews und Foto-Dokumenten, spiegeln deutschen Geschichte. Ganz nebenbei verschafft diese Graphik auch seismographisch exakte Signale über das Maß der Erschütterung, das mit Satire erreicht werden kann. Sie löste zeitweise gewaltiges Beben aus und wirkt, wenn für 2009 „Die Banken sind immer die Gewinner“ steht, rührend.

Der Ex-Bitterfelder, der in Heidelberg zu seinem Talent fand, hat inzwischen den Schwerpunkt seiner Arbeit zur Akademie verlagert. Doch die nachgezählte 41 mal vor Gericht bekämpfte Poster-Provokation bleibt ein eigenes, eigenartig zeitloses Herzstück im Lebenswerk des 71-Jährigen. Vielsagend dabei, wie mit dem allgegenwärtigen Helmut Kohl (er fliegt als Münchhausen über „blühende Landschaften“) und dem zuvor dominierenden Franz-Josef Strauß (mit dem Metzger-Motiv „Entmannt alle Wüstlinge“) die Polit-Personalisierung zerrinnt. Die BRD wurde kopflos. Bundeskanzlerin Angela Merkel als Strahlenkranz-Madonna der Atomindustrie ist die Aktuellste; da war sie im Kabinett noch „das Mädchen“. Dieter Stoll

Klaus Staeck diskutiert beim Poetenfest am 30. August um 11 Uhr (Redoutensaal) und wird um 15 Uhr (Senatssaal) im Gesprächs-Porträt vorgestellt.

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