Rothenburg: So brutal waren die Pferde-Quäler

ROTHENBURG/TAUBER - Der Stadtrat verbannte die Gespanne aus der Stadt. Wie schlimm es wirklich zuging, belegt ein erschreckendes Protokoll des Ordnungsamtes, das der AZ vorliegt.
Die Pferdekutschfahrten, mit denen Touristen durch die mittelalterliche Stadt gekarrt werden, sind Geschichte. Wegen ständiger Beschwerden über die rüden Methoden der Kutscher hat der Stadtrat die Notbremse gezogen und die Gespanne aus der Stadt verbannt. Doch wie schlimm es wirklich zuging, belegt ein Dokument des Ordnungsamtes.
In dem Papier, das der AZ vorliegt, sind nur die gravierendsten Ausraster der Pferdeschinder aufgelistet. Trotzdem umfasst die stichpunktartige Aufzählung drei Schreibmaschinenseiten. Erwähnt sind natürlich auch die drei Fälle aus den letzten vier Jahren, als Pferde auf dem Pflaster zusammenbrachen und getötet werden mussten (AZ berichtete). Über die Stadt brach danach jedesmal eine Flut von Protestschreiben empörter Tierfreunde herein. „Die Kutschbetriebe haben unserer Stadt einen so schweren Imageschaden beschert, dass wir handeln mussten“, beschreibt Oberbürgermeister Walter Hartl die missliche Situation.
Die Sündenliste der Kutscher reicht mehr als 20 Jahre zurück. Der erste Eintrag stammt vom November 1987. Damals gingen zwei Pferde durch, der Kutscher bekam sie nicht mehr in den Griff. Das Gefährt kippte um, beschädigte mehrere Autos. Ein Tier war so schwer verletzt, dass es getötet werden musste. Durchgehende Pferde, die führerlos mit der Kutsche im Schlepptau durch die Stadt rannten und geparkte Autos beschädigten, gehörten fast schon zur Tagesordnung. Doch nicht immer blieb es bei Blechschäden:
Ausbrechende Pferde bringen eine Kutsche zum Umstürzen. Der Kutscher wird schwer verletzt, fünf Fahrgäste leicht. - Auf dem Bahnübergang hinter dem Krankenhaus wird eine Kutsche vom Zug erfasst. Zwei Pferde werden getötet, der Kutscher verletzt. - Ein Bagger versetzt ein Kutschpferd in Panik. Es geht durch, rennt gegen ein Auto. Das Tier und ein Fahrgast werden verletzt. - Ein rabiater Kutscher verträgt die Kritik von Passanten nicht. Er prügelt mit einer Peitsche auf zwei Personen ein, verletzt sie erheblich.
28 derartige Einzelfälle hat die Stadtverwaltung aufgelistet! „Das ist jedoch nur ein Teil der vielen Zwischenfälle, die uns bekannt geworden sind“, sagt Roland Pfaffelhuber, Chef des Ordnungsamtes. Zum Beispiel fehlt darin ein Vorfall, der sich erst vor wenigen Wochen zugetragen hat. Ein Kutschfahrer, der einen Unfall verursachte, fuhr seelenruhig weiter. Als er von der Polizei später gestoppt wurde, musste er ins Röhrchen blasen. Ergebnis: mehr als zwei Promille. Helmut Reister