Ringelpiez in Reizwäsche

Szenenwechsel im Swingerclub: Das „Erlebnis-Hotel“ Arkanum ist Treffpunkt von Studentinnen und Schnellschießern, Hausfrauen und Hengsten
von  Abendzeitung

Szenenwechsel im Swingerclub: Das „Erlebnis-Hotel“ Arkanum ist Treffpunkt von Studentinnen und Schnellschießern, Hausfrauen und Hengsten

Als die Orgie beginnt, ändert sich der Geruch im Swingerclub Arkanum. Gerade waberte noch ein Nebel aus Tanzschweiß, Kippenqualm, Sekt und Frauenparfum durch die Luft. Jetzt ist da ein neuer Duft. Süß, streng, wild und aufdringlich: Es riecht nach Sex.

Es ist ein Geruch, der Menschen anzieht wie Zucker Wespen: Swingerclubs reizen, seit es sie gibt. Nur ging früher fast niemand hin. Heute treffen sich dort Menschen aus allen Berufsgruppen und Gesellschaftsschichten. Zum Beispiel im Arkanum in Eching.

Nach 15 Jahren Swing-Erfahrung weiß Babsi, welcher Kerl es bringt

Babsis Lippen sind gerötet. Ihr erster Lover an diesem Abend war Bartträger. Und ein Versager. „Schnellschießer“, sagt Babsi. Die 45-Jährige besucht das Arkanum zusammen mit einer Kollegin aus ihrem Reisebüro. Die beiden haben sich in pinkfarbene Reizwäsche gezwängt, kippen Prosecco an der Bar und scannen die Männer auf der Tanzfläche. Der südländische Typ im schwarzen Slip sieht aus wie ein „guter Lover“, findet Babsi. Nach 15 Jahren Swing-Erfahrung weiß sie, welcher Kerl es bringt. Schnellschießer erwischt sie selten.

Babsi ext ihren Perlwein, drückt ihren Busen in Form, streift über die Tanzfläche und greift dem Südländer in den Schritt. „Na, du Hengst.“ Er lächelt. Man versteht sich. Zehn Minuten später verkriechen sich die zwei in der Höhle.

Die Höhle, die Bar, der Club – das alles liegt versteckt im Echinger Gewerbegebiet, in einem Hinterhaus gegenüber einer Autolackiererei. An sieben Tagen in der Woche können hier Swinger auf 240 Quadratmetern und zwei Etagen ihre Lust ausleben. Heute ist After-Work-Swinging. Das heißt, dass die Gäste Anzüge und Kostümchen tragen. Theoretisch. Um neun hat fast niemand mehr an als Unterwäsche – wenn überhaupt.

Immer nur das eigene Bett? Das ist Tom zu langweilig

Babsi bearbeitet ihren Kerl mit Mund, Händen und Füßen, aber er bleibt schlaff. Diesmal ist es kein Schnellschießer, sondern eine „Weichwurst“, wie sie später sagen wird. Die beiden turnen durch eine gepolsterte Kiste von der Größe eines Kleinwagens – die Höhle. Löcher in den Wänden erlauben jedem zu bespannen, was drinnen abgeht. Neben Babsi und ihrer Weichwurst wühlen sich noch zwei Gestalten durch die Kissen: Ein keuchender Mann und Conny, die im Rhythmus der Lust mit dem Kopf gegen die Wand knallt.

Connys Freund Tom wackelt über die Tanzfläche im Nebenraum. Der 29-Jährige, ausgezogen bis auf Boxershorts und Krawatte, ist zum ersten Mal in einem Swingerclub. Dass seine Freundin sich mit einem anderen Mann vergnügt, gefällt ihm. „Blasen darf sie, bumsen nicht“, sagt er. Tom weiß nicht, dass Conny zur Freude vieler Zuschauer gerade diese Regel ignoriert.

Die 25 Euro Eintritt für ihn und seine Freundin zahlt der Student der Fahrzeugtechnik gerne; immer nur das eigene Bett ist ihm zu langweilig.

Conny ist fertig. Mit dampfendem Gesicht setzt sie sich neben ihren Freund. Sie grinst und trinkt einen Schluck von Toms Gin Tonic. Ihre Finger hinterlassen schmierige Abdrücke auf dem Glas. Sie stöhnt. „War anstrengend.“ Conny braucht eine Pause. „Ich hatte meinen Kick, vielleicht bums’ ich nochmal mit Tom, aber erst mal Chillen und ein wenig Tanzen.“

Wenn dem DJ ein Gast gefällt, mischt er sich unters Volk

Für Musik sorgt Marc. Der DJ arbeitet tagsüber als Zauberer auf Kindergeburtstagen, abends legt er im Arkanum auf. Wenn ihm ein Mädel gefällt, mischt er sich auch mal unter die Swinger. Oder er kommt gleich mit seiner Freundin. „Hier geht es einfach zu geil ab, auch außerhalb der Betten.“

Die Gäste des Arkanums wollen tatsächlich nicht alle nur Sex. Viele möchten einfach mal wieder richtig abtanzen, hören aber lieber Abba als Gangsta-Rap und fühlen sich zu alt für die Kultfabrik.

Marc gibt ihnen, was sie brauchen. Er schiebt eine Polonaise in den CD-Player und brüllt durch sein Mikro: „Ihr seid so geil.“ Sofort grabscht jeder nach irgendeiner nackten Schulter oder Hüfte. Manche auch gleich nach Po und Brüsten. Und dann zieht die Schlange der Swinger durch das ganze Haus: vorbei an der Bar, der Liebesschaukel, dem Gynäkologenstuhl, kopulierenden Paaren und masturbierenden Männern, die sich an den Gucklöchern der Höhle die nasse Stirn platt drücken.

Im Erdgeschoss steht Frank einsam vor dem Buffet und löffelt Gulasch. Er hat als Single-Mann 100 Euro Eintritt bezahlt. Mit seinem Karohemd und der eng geknotete Krawatte wirkt er ein wenig zu steif für Nackedei-Polonaise und sexy Sirtaki. Frank ist zum dritten Mal hier. Sex hatte er hier bisher nicht. „Ist nicht so mein Ding“, sagt er.

Komische Vögel gibt es einige im Arkanum: die Franks, von denen keiner weiß, was sie hier wollen, Spanner, die nur schauen, Frauen, die sich „Stuten“ nennen und einen Masseur, der erzählt, dass er hellsehen und Frauen durch Hypnose zum Orgasmus bringen kann.

Abgesehen von diesen Freaks ist das Publikum erstaunlich normal. Fast schon spießig. Da ist Clubbetreiberin Natascha stolz drauf. „Hier kommen sie alle“, sagt sie, „Bäcker, Anwälte, Friseurinnen, Professoren.“

"Es flutscht", sagt die Chefin

Natascha hat früher deutsche Modefirmen in Russland vertreten. Sie kennt sich aus mit schwierigen Behörden. Aber bis sie das Arkanum eröffnen durfte, musste sie eine lange Schlacht gegen die Echinger Entscheider und ihre Vorurteile kämpfen. Immer wieder erklärte sie den Unterschied zwischen Puff und Swingerclub. Vor eineinhalb Jahren bekam sie endlich die Genehmigung, ein „Erlebnis-Hotel“ anzumelden. Der Ausdruck „Swinger-Club“ existiert nicht im Gewerberecht. Aber das stört Natascha nicht. Ihr Laden läuft. Sie will bald anbauen. „Es flutscht.“

Auch Babsi, die rollige Reiseverkehrskauffrau, ist mittlerweile befriedigt. Der dritte Kerl dieses Abends war endlich ein guter. „Der hat mich richtig rangenommen“, sagt sie. „Und seien wir mal ehrlich, davon träumen wir doch alle.“

tkw

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