Rentner sind schon arm

Obwohl Bayern eines der reichsten Bundesländer ist, bekommen die Rentner sehr wenig Rente. Zu wenig für viele. Weshalb der Nürnberger Sozial-Referent eine riesige Alters-Armut kommen sieht.
NÜRNBERG Eigentlich hat Margarete G. ihr Leben lang gearbeitet. Doch jetzt, im Alter, muss die 80-jährige Nürnbergerin den Staat bemühen, damit sie überhaupt überleben kann: Zu ihrer 364-Euro-Minirente legt das Sozialamt noch 306 Euro Grundsicherung drauf. Wenn Miete, Strom und Telefon bezahlt sind, bleiben der alten Frau gerade mal 200 Euro zum Leben. Margarete G. ist kein krasser Einzelfall, sondern teilt das Schicksal von immer mehr Rentnern, sagt der Sozialverband VdK, der gerade eine bundesweite Kampagne „Aktion gegen Armut“ gestartet hat.
Die VdK-Zahlen sind alarmierend: Rund 400000 Rentner in Bayern sind arm. Dafür gibt es eine klare Definition der Europäischen Gemeinschaft: Wer weniger als 60 Prozent des Durchschnitts-Einkommens zur Verfügung hat – das sind 880 Euro – gilt in Deutschland als arm.
Bei 83000 Rentner reicht das Geld nicht
Rund 83000 bayerische Rentner benötigen ständig Unterstützung vom Staat, weil ihre Renten nicht reichen. Nürnbergs Sozialreferent Rainer Prölß weiß es genau: 4585 Menschen bekommen von seinem Sozialamt Grundsicherung. Dabei ist sich Prölß im Klaren, dass die Zahl der armen Rentner in der Stadt weit darüber liegt, weil viele Menschen aus Scham die ihnen zustehenden Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen. Die Dunkelziffer ist groß – zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2007.
In Bayern werden ohnehin im Deutschland-Vergleich fast die niedrigsten Renten gezahlt: Der bayerische Durchschnitts-Rentner bekommt 647 Euro – der eigentlich reiche Freistaat kommt damit auf den vorletzten Platz bundesweit. Nur die Rentner in Rheinland-Pfalz sind ärmer.
Dabei ist das Armuts-Risiko innerhalb Bayerns durchaus unterschiedlich, wie das Internationale Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES) herausgefunden hat (s. Karte): Die höchsten Durchschnitts-Renten werden mit 764 Euro im Landkreis München gezahlt, die niedrigsten im Landkreis Cham mit 511 Euro.
Die Rentner haben weniger in der Tasche
Dass sie sich für ihre Rente immer weniger kaufen können, ist nicht nur ein Gefühl der Rentner: Der VdK hat errechnet, dass ein Durchschnitts-Rentner in den letzten fünf Jahren durch die Renten- und Gesundheitsreformen rund 130 Euro pro Monat eingebüßt hat. Macht 1560 Euro weniger im Jahr – ein Verlust von eineinhalb Durchschnitts-Renten! Doch das ist nicht alles: Bei einer Inflationsrate jenseits der zwei Prozent schlagen die Kosten für Lebensmittel und Energie besonders bei Familien mit Kindern und Rentnern dramatisch durch. Das alles lässt Referent Reiner Prölß für die Zukunft nichts Gutes erwarten: „Wir haben eine stetige Steigerung. Die Altersarmut wird in zehn bis 25 Jahren eine riesige Dimension erreicht haben.“
Der VdK fordert deshalb eine Wiederbelebung der 1992 eingestellten „Rente nach Mindesteinkommen“. Dabei wird Menschen mit kleinen Einkommen der Beitrag zur Rentenversicherung soweit aufgestockt, bis er 75 Prozent des Durchschnitts-Beitrags erreicht. Darüber hinaus will der VdK erreichen, dass die Riester-Rente nicht mehr voll auf die Grundsicherung angerechnet wird. „Sonst wird derjenige, der trotz geringen Einkommens zusätzlich privat vorgesorgt hat, am Ende keinen Nutzen von seiner Anstrengung für eine zusätzliche Altersvorsorge haben“, so die bayerische VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher.
Wie’s finanziert werden soll? Ulrike Mascher: „In Zeiten, in denen jedes sechste Kind von Hartz IV lebt, kann man den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung, die rund ein Drittel des gesamten Volksvermögens besitzen, durchaus eine Vermögenssteuer zumuten.“
W. Vennemann