Reizüberflutung für die Generation Pixel

Die Welt in virtuellen Wirbeln: die kolossalen Bilder der Corinne Wasmuht in Nürnberg
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Eher Forscher als „genialer Künstler“: Corinne Wasmuht in der Kunsthalle vor ihren leucht- und sogkräftigen Patchwork-Panoramen, die ab heute zu sehen sind.
Berny Meyer Eher Forscher als „genialer Künstler“: Corinne Wasmuht in der Kunsthalle vor ihren leucht- und sogkräftigen Patchwork-Panoramen, die ab heute zu sehen sind.

NÜRNBERG - Die Welt in virtuellen Wirbeln: die kolossalen Bilder der Corinne Wasmuht in Nürnberg

Massives Netzhautflimmern ist unvermeidlich bei dieser Begegnung einer Matrix-Malerei, die schon rein äußerlich überwältigend ist. Über sieben Meter und manchmal bis zu drei Meter hoch sind die futuristischen Visionen, in denen sich Erinnerung und Alltagsgespinst durch einen Traum-Tunnel in eine virtuelle „Supracity“ drängeln. So übertitelt Corinne Wasmuht (46), Kunstprofessorin aus Karlsruhe mit Wohnsitz Berlin, in ironischer Abgrenzung zur „Megacity“-Worthülse ihre sogkräftige Reizflutung in der Nürnberger Kunsthalle. Ein kolossales Patchwork-Bombardement. Pinsel-Impressionismus für die Generation Pixel.

Einen Systemfehler im Photoshop-Programm vermutet man noch beim letzten Bild. Im Kunsthallen-Allerheiligsten prasseln Lichtpunkte und Farbfetzen als Hagelsturm auf den Betrachter zu, zwischen grauer Fahrbahn, Architektur-Silhouetten und giftfarbenen Bergen weiten sich Ahnungen einer Utopie. „Pathfinder“ nennt Wasmuht das Bild, inspiriert durch eine Mars-Mission. „Das ist eine Parallelwelt, die hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun“, erklärt die Malerin, die sich mit verschwenderischem Zeiteinsatz (maximal fünf Bilder pro Jahr) und aufwändiger Lasurtechnik auf Gipsgrund die allgegenwärtige Schnelligkeit aufgreift und gleichzeitig blockiert.

Wasmuhts Entwicklung zu einer Wahrnehmung, in der sich Eindrücke immer stärker in Einzelteile, sich wie im Schlaf oben und unten, vorne und hinten auflösen, zeigt die Ausstellung deutlich. Sie beginnt mit dem Neuesten und arbeitet sich dazwischen zu den Anfängen vor: Haare, gezopft, gewunden, gestriegelt, zur merkwürdigen Landschaft gebaut. Drumherum leuchtender Overkill, spielerisch im Umgang mit digitaler Ästhetik. Bilder-Brandung zum Tsunami getürmt: Brandenburger Tor, Kneipen-Interieur, Zebrastreifen-Feuer, Schnee-Aura und fröstelnde Eishöhlen, Gestalten als Auslegware, Grüngebiete als Eckpunkte. Eine kunstvoll zum Chaos arrangierte Festplatte des Erlebnisspeichers.

„Das Bild vom genialen Künstler liegt mir fern. Ich fühle mich eher wie ein Forscher“, sagt Wasmuht über ihr Arbeitsprinzip. Zur Zeit schießt sie hundertfach Schnee-Fotos. Man weiß ja nie. Andreas Radlmaier

Kunsthalle (Lorenzer Str. 32): Eröffnung, heute, 20 Uhr; bis 16. Mai, Di-So 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr. Katalog: 14,80 Euro

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