Reichsbürger erschießt SEK-Polizisten: So verlief der Einsatz

Georgensgmünd - Nach den Schüssen auf Polizisten soll ein sogenannter "Reichsbürger" aus dem mittelfränkischen Georgensgmünd am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Staatswaltschaft ermittelt wegen Mordes gegen den 49-Jährigen. Er hatte am Mittwoch bei einer Razzia auf Beamte geschossen und vier Polizisten verletzt. Ein Beamter verstarb ab Donnerstagmorgen.
Am Mittwochabend hatte das Polizeipräsidium Mittelfranken schon einmal mitgeteilt, der 32-Jährige sei an seinen Verletzungen gestorben. Kurz darauf korrigierte sich das Präsidium: der Beamte lebe doch und entschuldigte sich für die Falschmeldung. Der Mann schwebe weiter in akuter Lebensgefahr. Am Donnerstagmorgen folgte dann erneut die Todesmeldung, die der AZ inzwischen von der Polizei bestätigt wurde. Demnach ist der Mann seinen schweren Schussverletzungen (siehe unten) erlegen.
Das Landratsamt wollte bei dem Einsatz die 31 Waffen des als Jäger registrierten "Reichbürgers" sicherstellen, weil es den Mann als nicht mehr zuverlässig einstufte. Den Grund für diese Einschätzung lieferte der Mann selbst: Als bei einer Routine-Kontrolle im Sommer überprüft werden sollte, ob er seine Waffen korrekt lagert, warf er die Mitarbeiter des Landratsamtes vom Grundstück, da sie angeblich keiner legitimierten Stelle angehörten, sondern für ein kriminelles Regime arbeiten.
Die Behörden reagierten entsprechend und erklärten seinen Jagdschein und seine Waffenbesitzkarte für ungültig. Dementsprechend wurde auch die Sicherstellung der Waffen angeordnet. Da es sich bei dem Mann offensichtlich um einen Waffennarr handelt, wurde das SEK hinzugezogen.
Mit Schutzweste und Pistole im Anschlag dem SEK aufgelauert
Gegen 6.00 Uhr am Mittwochmorgen betraten die Spezialkräfte das Treppenhaus und wollten zur Wohnung des "Reichsbürgers" vordringen. Der erwartete sie jedoch bereits, trug eine kugelsichere Weste und schoss erst durch seine Wohnungstüre auf die Polizisten, bevor er selbst ins Treppenhaus stürmte und dort weiter auf die Beamten feuerte.
Ein SEK-Polizist wurde laut "Bild"-Zeitung von drei Kugeln getroffen: Einen Kopfschuss wehrte der ballistische Helm noch ab, zwei weiteren Projektile trafen ihn an ungeschützten Stellen. Eine Kugel durchschlug den Ellenbogen, eine weitere drang seitlich neben der Schutzweste in den Oberkörper ein und verletzte den Mann lebensgefährlich. Trotz Notoperation verstarb er Stunden später im Krankenhaus.
Ein anderer Polizist erlitt einen Oberarm-Durchschuss und zwei Beamte wurden durch herumfliegende Splitter leicht verletzt. Der Täter konnte nach einem kurzen Schusswechsel überwältigt werden. Ob dabei auf seine Weste geschossen wurde, ist derzeit noch nicht bekannt, Schussverletzungen erlitt er jedenfalls keine.
Reichsbürger – Die ignorierte Gefahr
"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren auch amtliche Bescheide nicht. Etliche Akteure sind nach Einschätzung von Verfassungsschützern auch in der rechtsextremen Szene aktiv.
Nach Einschätzung der Amadeu-Antonio-Stiftung, die seit ihrer Gründung 1998 Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus entgegentritt, wurde die Gruppierung in Deutschland lange Zeit unterschätzt. "'Die Reichsbürger' wurden lange verharmlost und als Spinner oder Querulanten abgetan", sagte Jan Rathje, Experte für Rechtsextremismus der Stiftung, der "Heilbronner Stimme" (Donnerstag). In den vergangenen Jahren habe die Sensibilisierung in Behörden oder etwa bei Gerichtsvollziehern aber zugenommen, auch durch Aufklärungsarbeit.
"Zu großer Brutalität fähige Personen"
Rathje hält die Bewegung für sehr gefährlich. "Ihre Ideologie, die im Kern rechtsextrem und oft antisemitisch und gebietsrevisionistisch ist, läuft über kurz oder lang immer auf einen Konflikt mit dem Staat hinaus." Zudem gebe es "Verbindungen und Überschneidungen zum organisierten rechtsextremen Milieu".
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic warf dem Bundesamt für Verfassungsschutz vor, das Gefahrenpotenzial der Reichsbürgerbewegung "in fataler Weise" unterschätzt zu haben. Zudem kritisierte sie im ARD-Politikmagazin "Kontraste", dass es bislang keine Überblick gebe, in welchem Umfang "Reichsbürger" im Besitz von Waffen seien, obwohl es seit längerem deutliche Hinweise gebe, dass sich "Teile dieser Bewegung radikalisiert und bewaffnet haben."
Auch der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), forderte in dem Zusammenhang ein härteres Vorgehen gegen die "Reichsbürger". Es sei eine "eingehende Überprüfung erforderlich, ob Anhänger dieser Szene Waffen besitzen, so dass diese dann entzogen werden können", sagte er dem "Handelsblatt". Der aktuelle Fall zeige, dass die Polizei dabei mit aller gebotenen Vorsicht, aber auch Härte vorgehen müsse. "Es handelt sich nicht um einige Spinner und Anhänger kruder Theorien, sondern offenbar um zu großer Brutalität fähige Personen." Daher sei auch eine umfassende Beobachtung durch den Verfassungsschutz nötig.