Reichenhall-Drama: Tränen im Gerichtssaal
Prozess-Auftakt um Eishallen-Einsturz in Bad Reichenhall: Am ersten Tag sitzen die drei Angeklagten den Angehörigen der Opfer gegenüber. Den zwei Ingenieuren und dem Architekten wird fahrlässige Tötung von 15 Menschen vorgeworfen. Doch die Angeklagten sehen sich als "Bauernopfer".
TRAUNSTEIN „Todesursache: Zertrümmerung des Kopfes.“ Als der Staatsanwalt gestern im Saal 33 des Landgerichts Traunstein die Namen der 15 getöteten Kinder und Frauen vorlas, schluchzten die Mütter, und Väter wischten sich Tränen aus den Augen. Das Leid der Angehörigen ist unermesslich. Ihr Bedürfnis, die Schuld am Tod ihrer Kinder, Frauen oder Mütter an konkreten Tätern festzumachen, ist groß. „Jetzt sitzen mir die Verantwortlichen gegenüber und müssen mir in die Augen sehen“, sagt Robert Schmidbauer vor dem Prozess. Seine Kinder Marina (8) und Christina (11) wurden getötet.
Von den vier Männern, die am Einsturz der Halle mitschuldig gewesen sein sollen, sind drei übrig. Gegen den früheren Vize-Stadtbaumeister Horst P. (71), wurde das Verfahren abgetrennt. Er lässt sich wegen eines Tumors operieren. Erst in drei Monaten ist er verhandlungsfähig.
Übrig bleiben: der selbstständige Ingenieur Rüdiger S. (54), der Architekt Rolf R. (63) und der Augsburger Bauingenieur Walter G. (67). Dem Ingenieur Rüdiger S. wirft die Staatsanwaltschaft vor, 2003 bei der Begutachtung der Halle geschlampt zu haben. Anstatt die Tragkonstruktion aus der Nähe zu untersuchen, benutzte er ein Teleobjektiv. Für ein Pauschalhonorar von 3000 Euro kam er zum tödlichen Schluss, die Konstruktion sei im guten Zustand. Sein Verteidiger Rolf Krüger griff die Staatsanwaltschaft scharf an: „Sie hat sich die Schuldabwälzungsstrategie der Gemeinde zu eigen gemacht.“ Auch sei von der Stadt gar kein umfassendes Gutachten gewollt worden.
Der zweite Angeklagte Rolf R. (Verteidiger: Thomas Pfister, Alexander Volkmer) war 27 Jahre alt, als er als Berufsanfänger in das Projekt einstieg. Er war freier Mitarbeiter des Münchner Architekturbüros, wurde als Projektleiter eingesetzt. Der Staatsanwalt wirft R. vor: „Er hätte merken müssen, dass die Prüfstatik fehlte und die Stadt darauf hinweisen müssen.“ Rolf R. erklärte, dass der damalige Stadtbaurat die Standsicherheit geprüft hatte. „Ich habe mit dem Versagen der Stadt nichts zu tun.“
Der dritte Angeklagte Walter G. (Verteidiger: Harald Baumgärtl) war in den 70er Jahren bei der Firma Deuter Chef der Abteilung Holzleim. In den 70ern, kurz vor Olympia, sei das Auftragsvolumen groß gewesen. G. gab wenigstens zu, dass er sich damals nicht weiter darum gekümmert hatte, dass die Träger viel zu lang waren. Er verließ sich auf andere. „Ich fühlte mich überfordert“, gab er zu.
Die Angehörigen der toten Kinder und Frauen folgten dem ersten Prozesstag stumm und entsetzt. „Hier zu sitzen und sich das alles anzuhören, ist das Letzte, was wir für unsere Kinder tun können. Es ist wichtig, dass die Schuldfrage geklärt wird“, sagte Dagmar Schmidbauer. Und Robert Schromm, dessen Frau Michaela umkam und dessen Tochter Ricarda (5) knapp überlebte: „Das ist alles fürchterlich belastend. Aber dieser Schlamm und diese Misswirtschaft müssen ans Tageslicht.“ Nina Job
- Themen: