Raupen-Pest in Franken: Gemeinde kapituliert

Sie fressen Eichen kahl und machen die Menschen in Schwarzach am Main krank – die Gemeinde kämpft verzweifelt gegen die ekligen Eindringlinge, aber ohne Erfolg. Auch München könnte bald befallen werden.
von  Abendzeitung
Eichenprozessionsspinner in Aktion: Auf ihre langen Haare reagieren viele hochallergisch.
Eichenprozessionsspinner in Aktion: Auf ihre langen Haare reagieren viele hochallergisch. © dpa

KITZINGEN - Sie fressen Eichen kahl und machen die Menschen in Schwarzach am Main krank – die Gemeinde kämpft verzweifelt gegen die ekligen Eindringlinge, aber ohne Erfolg. Auch München könnte bald befallen werden.

Die Eichen sind kahl gefressen, im Gras wuselt ekliges, schwarz-graues Getier mit langen weißen Haaren. Die Menschen leiden an Atemnot, Fieber, Müdigkeit, Pusteln und Asthma-Anfällen. Die Natur spielt verrückt in Schwarzach am Main. Millionen von Raupen namens „Eichenprozessionsspinner“ haben die unterfränkische Gemeinde befallen. Ungeziefer und Pusteln – wie zwei der biblischen Plagen.

Seit Jahren nisten die Raupen in den Eichen rund um das 3600-Einwohner-Dorf. Sie häuten sich fünf bis sechs Mal und verwandeln sich in weißgraue Nachtfalter. Davor aber bringen sie Unheil: Im dritten Häutungsstadium brechen ihre langen weißen „Brennhaare“ ab und fliegen vom Wind getragen wie eine Pest durch die Luft. Die fast unsichtbaren Härchen enthalten das Nesselgift Thaumetopoein. Viele Menschen reagieren darauf allergisch: Der Gärtner Josef Hartmann hat Euromünzen-große Abszesse, die Hälfte seiner Angestellten ist krank. Im Kindergarten erlitt ein Kind schwere Asthma-Anfälle, ein Jugendlicher bekam keine Luft mehr.

Die Gemeinde ist machtlos: Die Raupen nisten vor allem in einem Waldstück im Ortsteil Düllstadt. Dort fressen sie Eichen tot, dicke Graupen kleben am Stamm „wie ein Teppich“, sagt Gemeindeleiter Wolfgang Laub. Es gibt nur eine Chance, „das Mistzeug“ loszuwerden: Gift. Das Insektizid Dimilin wurde durch einen Hubschrauber über den Wald gesprüht – nur nicht dort, wo es nötig war. Der Wald liegt zwischen Fischweihern und einem Bach. „Das Zeug ist für Fische giftig, deshalb können wir es dort nicht benutzen“, sagt Laub.

Karate hilft - ist aber für alle Tiere tödlich

Wirksamer wäre ein Gift namens Karate – es wurde schon vor einigen Jahren eingesetzt, Wolfgang Laub gruselt’s bei dem Gedanken: „Da war alles tot, das war Wahnsinn. Ich war richtig erschrocken, was das für eine Wirkung hat.“ Einen zweiten Einsatz könne er „nicht verantworten.“ Laub ist verzweifelt: „Damit werden wir nicht fertig werden.“

Die Eichenprozessionsspinner breiten sich seit 1995 massiv aus, meldet die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Besonders betroffen sind die Regionen Schweinfurt, Würzburg, Ansbach, aber auch Sachsen-Anhalt, Hessen und Baden-Württemberg. Nur München lassen die Plagegeister in Ruhe – noch, warnt Wolfgang Laub. „Ihr kriegt das auch noch.“ Klingt wie eine düstere Prophezeiung.

Thomas Gautier

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