Rauchverbot: Wo herrscht dicke Luft — und wo ist sie rein?
In Nürnberg gab’s noch keine Kontrollen – dafür einen regelrechten telefonischen Ansturm auf das Ordnungsamt. Viele Anrufer beschwerten sich bereits über Verstöße in der Gastronomie
NÜRNBERG Die Münchner machen ernst: Nach dem Inkrafttreten des neuen Nichtraucherschutz-Gesetzes am Sonntag wurden bereits 40 Kneipen in der Landeshauptstadt von Mitarbeitern des Ordnungsamts besucht! Drei Wirte bekamen ein Bußgeldverfahren. In Nürnberg dagegen gab’s noch keine Kontrollen – dafür einen telefonischen Ansturm aufs Ordnungsamt! „Uns haben sehr viele Leute angerufen: Raucher, Nichtraucher, Wirte“, so Amtschef Robert Pollack.
Wie und wo das Qualmen nun erlaubt und untersagt sei, wollten viele wissen. Einige beschwerten sich darüber, nun auf die Kippe zum Bier in der Stammkneipe verzichten zu müssen. Und es gab zahlreiche Anrufer, die schlichtweg petzen wollten, wenn in einer Wirtschaft verbotener blauer Dunst aufstieg.
Böser Brief vom Amt
In solchen Fällen, erklärt Pollack, schicken die Amtsmitarbeiter erstmal einen Brief an den Wirt: „Das ist praktisch die Gelbe Karte – wir klären ihn damit nochmal über die Rechtslage auf.“ Wenn sich dann wieder Bürger über Raucher in Gasträumen beschweren, setzt’s einen Kontrollbesuch. Sollte sich der Verdacht erhärten, wird ein Bußgeld fällig. Es beträgt mindestens fünf Euro bei Erstverstößen bis zu 1000 Euro Maximalstrafe.
Ein Nürnberger Wirt – Willi Pröll von der Kultkneipe „Zentalhalle“ in Gostenhof – hat auch schon einen Brief vom Ordnungsamt erhalten. Allerdings ohne dass sich ein Passant über Raucher in der Wirtschaft beschwert hätte. Der Grund: Willi rief via AZ zum Aufstand gegen das Rauchverbot auf. Er will „jedes erdenkliche Schlupfloch nutzen“, um der „Bevormundung durch den Staat“ zu entkommen.
Seine Pläne: ein Doppeldeckerbus vor der Kneipe in der Reitackerstraße – dorthin sollen sich rauchende Gäste zurückziehen können. Und, als letztes Mittel, Hausrecht und Zweitwohnsitz für alle Stammgäste: „Ich mache dann zu und verkaufe Getränke nur noch über den Kiosk.“ Der Mitarbeiter, der im Gegenzug das amtliche Schreiben verfasste, zerpflückte jeden von Willis Vorschlägen: Für den Bus bedürfe es einer „Sondernutzungserlaubnis vom Liegenschaftsamt“. Auch sei es nicht möglich, die Zentralhalle als Zweitwohnsitz unterzuvermieten. Sie sei baurechtlich nur als Gaststätte zugelassen.
Amtschef Pollack gibt sich auf AZ-Anfrage weniger unerbittlich: „Wenn der Raum nicht bewirtschaftet wird, auch keine Gläser ausgegeben und gespült werden, ist es nicht unbedingt eine Gaststätte.“ Gleiches gelte auch für den Bus. Der müsse eben primär als Fortbewegungsmittel eingesetzt werden. Dass sich Wirt Willi durch den Brief des gewissenhaften Mitarbeiters „bedroht“ fühlt, wie er gegenüber AZ sagte, mag Pollack nicht verstehen: „Wir wollen ihn sicher nicht einschüchtern, nur über die Gesetzeslage informieren.“
„Man sollte die Ordnungsämter nicht unnötig provozieren“
Aber die ist weiter unklar: Die Betreiber von Shisha-Cafés hoffen immer noch auf eine Sonderregelung. Christine Klever von der Zigarren-Lounge am Nürnberger Hauptmarkt hat gar Klage beim Verfassungsgericht eingereicht. Ein Schritt, den auch Pröll erwägt, der seine Menschenwürde und die seiner Gäste angegriffen sieht.
Für den Münchner Rechtsanwalt Michael Scheele, der den raucherfreundlichen „Verein zum Erhalt der Bayerischen Wirtshauskultur“ vertritt, ist das ein gangbarer Weg: „Es kann nicht sein, dass die Mehrheit einer Minderheit vorschreibt, wie sie ihr Leben zu führen hat.“ Auch wenn der Jurist Willis Vorstöße für taktisch unklug hält („Man sollte die Ordnungsämter nicht unnötig provozieren“), glaubt er, dass jedes der im Brief des Nürnberger Amts aufgeführten Argumente auch widerlegt werden kann. Sein Rat: „Sachen ausprobieren und abwarten, wie Ordnungsamt und Gerichte reagieren.“
Steffen Windschall
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