"Ratgeber und Seelsorger" - Altabt Odilo Lechner ist tot

Beten und Bier - als Abt der Benediktinerabtei St. Bonifaz war Odilo Lechner fast 40 Jahre lang für die geistliche Prägung des Klosters zuständig. Aber auch für das süffige Bier, das in Andechs gebraut wird. Nun ist er gestorben.
München - Wenn es sein musste, fuhr er auch im quietschgelben Sportflitzer an der Kirche vor. Als die S-Bahn einmal nicht nach Herrsching am Ammersee fuhr und kein Taxi parat stand, bat der Abt von St. Bonifaz in München einen Autofahrer, ihn mitzunehmen.
Und so setzte der Mann den damals 66-jährigen Odilo Lechner zum Erstaunen der Gläubigen eben im Sportwagen vor der Kirche ab. Nun ist der Altabt tot. Der auch ansonsten unkonventionelle und bescheidene Ordensmann starb am Freitag im Alter von 86 Jahren in St. Bonifaz.
Odilo Lechner stand 39 Jahre lang an der Spitze der Abtei
"Mit seinem hintergründigen Humor und seinem Schalk hat er die Herzen vieler Menschen aufgetan", teilte die Benediktinerabtei mit. "Für viele ist Abt Odilo in den Jahren weit mehr als ein wertvoller Gesprächspartner geworden, sondern ein Lebensbegleiter, Ratgeber, Seelsorger; letztlich ein glaubwürdiger Zeuge der Frohen Botschaft."
Eigentlich hieß er Hans Helmut Lechner. Am 25. Januar 1931 wurde er als Beamtensohn in München geboren. 39 Jahre lang stand der Mönch an der Spitze der Abtei im Herzen der Landeshauptstadt. Weil Kloster Andechs nahe Starnberg dazugehört, war er nicht nur für die geistliche Leitung der Abtei, sondern auch für das süffige Bier zuständig, das auf dem "Heiligen Berg" gebraut wird.
In Lechners Amtszeit fiel der Ausbau der Klosterökonomie, zu der heute neben einer ganzen Reihe von Biersorten und Likören auch der erfolgreiche Vertrieb von Lizenzprodukten wie Brot, Schnupftabak und Speck gehört. Bräustüberl und Biergarten von Kloster Andechs sind zudem ein beliebtes Ausflugsziel von Einheimischen und Urlaubern gleichermaßen.
Mit dem Biererlös wird Obdachlosen geholfen
Mit dem Erlös der Andechser Wirtschaftsbetriebe verpflegt das Kloster St. Bonifaz Obdachlose. Jeden Morgen wird an Dutzende Männer und Frauen Essen verteilt. "Denn diese Menschen brauchen vor allem am Morgen etwas Warmes", begründete Odilo Lechner die Initiative einmal. Auch eine Arztpraxis wurde eigens für die Obdachlosen eingerichtet.
Als Kind habe er erst Straßenbahnschaffner und dann Dichter werden wollen, erzählte der Altabt einmal schmunzelnd. Doch der Zweite Weltkrieg und die Schulzeit im niederbayerischen Benediktinerkloster Metten prägten ihn so sehr, dass er sich zum Priestertum berufen fühlte. "Nach dem Ende der Nazi-Diktatur hatten die Menschen geistigen Hunger, man hat die Suche nach Orientierung überall gespürt", erinnert er sich.
Promotion über Augustinus
Lechner studierte in München und Innsbruck Theologie und Philosophie. 1952 trat er ins Kloster St. Bonifaz ein. 1956 wurde er zum Priester geweiht, war zunächst Seelsorger in der Pfarrei St. Bonifaz und dann Assistent am Philosophischen Institut der Benediktiner in Salzburg. 1962 promovierte er mit einer Arbeit über den Kirchenlehrer Augustinus.
1964 wurde er als damals jüngster Oberer der Benediktiner in ganz Deutschland zum Abt von St. Bonifaz und Andechs gewählt. Lechner war Träger des Bayerischen Verdienstordens und machte sich auch mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen einen Namen. So wurde doch noch ein Dichter aus ihm. In seinem Buch "Kraft der Stille" schrieb er: "Wer aus dem Lärm und der Hetze der Straßen dieser Welt in ein Kloster tritt, empfindet es vielleicht zuallererst als einen Raum geheimnisvoller Stille."
Eher schrille Töne waren aus dem 1455 gegründeten Kloster Andechs in den Jahren 2003 und 2004 zu hören, denn es gab einen heftigen Machtkampf um die Nachfolge von Odilo Lechner an der Spitze der Abtei St. Bonifaz. Der von den Medien umschwärmte Verwalter und Prior von Andechs, Pater Anselm Bilgri, unterlag seinem Ordenskollegen Johannes Eckert. Bilgri kehrte daraufhin der Abtei den Rücken. Auch die Insolvenz der Gastronomie-Gesellschaft mit Gaststätten in mehreren Städten bescherte dem Kloster Andechs als Mitgesellschafter negative Schlagzeilen.
Lechner lebte im Konvent von St. Bonifaz bis zu seinem Tod den strengen Alltag mit frühem Aufstehen, viel Gebet und innerer Einkehr. Regelmäßig konnten Kirchenbesucher ihn - zuletzt auf einen Gehstock gestützt - beim Weg zum sonntäglichen Gebet erleben.