Rainer Ammel im AZ-Interview: "Ich bin ein Freund von sanftem Druck“

Gute Noten ohne Stress verspricht Rainer Ammel aus Pasing. Der Lehrer gibt Tipps, wie Schüler erfolgreich durchs Gymnasium kommen – und was die Eltern dafür tun können.
von  Ruth Schormann
Lernen kann ganz schön lästig sein. Ein Lehrer verrät, wie man sich selbst dazu motivieren kann.
Lernen kann ganz schön lästig sein. Ein Lehrer verrät, wie man sich selbst dazu motivieren kann.

Rainer Ammel lebt in Pasing und ist Mathelehrer am Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering. Außerdem betreibt er online die Übungsplattform Mathegym.

AZ: Herr Ammel, es heißt doch "Ohne Fleiß kein Preis“. Das klingt ja schon ein bisschen nach Stress.
Rainer Ammel: Mit Stress meine ich nicht einfach Arbeit, sondern ausweglose Situationen, wie sie etwa beim Bulimie-Lernen entstehen, wenn man zu spät anfängt vor einer Prüfung, es nicht schafft und dann Black-Outs bekommt.

Also Bulimie-Lernen, sprich kurz vor einer Schulaufgabe den Stoff reinpressen und dann in der Prüfung wiederkäuen, ist schlecht.
Ja, ich propagiere Lernen mit Kontinuität.

Reicht allein das oder braucht es nicht auch ein gewisses Talent oder eine Veranlagung für bestimmte Fächer?
Talent spielt schon eine Rolle dabei, ob einem ein Schulfach leicht oder schwer fällt. Aber zwei Notenstufen kann man durch Fleiß reinholen. Wer auf einer 5 in Mathe steht und gewisse Dinge beim Lernen beachtet, kann zumindest eine 4 schaffen.

Zum Beispiel?
Der Demotivation auf den Grund gehen. Dafür gibt es vier Ebenen, die ich zusammen mit Schülern einer 10. Klasse erarbeitet habe.

Welche sind das?
Die körperliche, die emotionale, die praktische Ebene und die der Gedanken

Wie geht das konkret?
Beispielsweise auf der körperlichen Ebene: Wenn man nachmittags erst duscht oder ein bisschen Sport macht, ist man wieder fitter vor dem Lernen. Oder die emotionale Ebene: Wer an akuter Unlust leidet, kann sich über ein Buch oder einen Film einen anderen Zugang dazu verschaffen. Außerdem gilt es ganz praktisch für einen aufgeräumten Schreibtisch zu sorgen und Geschwister zu bitten, nicht zu stören. Und auf der Gedanken-Ebene sollte man Sätze wie "Für Mathe bin ich zu blöd“ durch positive ersetzen, etwa:"Wenn ich lerne, dann kann ich das.“

Das sind Tipps für Schüler. Wie können Eltern dazu beitragen, dass der Nachwuchs mehr Lust aufs Lernen bekommt?
Ich bin ein Freund von sanftem Druck – ganz ohne funktioniert es nicht. Das darf aber kein Dauerbrenner werden. Schöne Dinge wie Fernsehen oder Computerspielen sollten Kinder sich verdienen müssen.

Machen Eltern ihren Kindern nicht oft zu viel Druck?
Es ist wichtig, zu erkennen, wann der Druck eher zum Nachteil gereicht. Dann muss man neue Wege suchen, etwa einen Lernvertrag aufsetzen, in dem die Eltern versprechen, sich mehr zurückzunehmen und der Schüler, dass er sich jeden Tag eine halbe Stunde länger hinsetzt, zum Beispiel.

Und was, wenn das auch nichts bringt und sich mein Kind einfach dauerhaft überfordert fühlt auf dem Gymnasium?
Wenn es zu viel ist – und das ist heute keine Frage der Intelligenz, sondern des Fleißes – sollte man über einen Wechsel auf die Realschule sprechen. Dafür breche ich eine Lanze, denn es ist oft ein Nachteil, wenn man jahrelang durchs Gymnasium geprügelt wird und dann zwar ein Abi macht, aber mit schlechtem Notenschnitt. Wer auf die Realschule geht, kann immer noch das Abitur machen und oftmals ist es dann besser, weil man sich dazu selbst motiviert hat.

Selbstmotivation ist Ihnen sehr wichtig.
Für mich selbst war das Gymnasium zu meiner Schulzeit anfangs ein Grauen. Meine Eltern waren es gewohnt, dass ich mich selbst um die Schulsachen kümmere. Da ging es erst einmal den Bach runter, bis ich meinen Schweinehund bekämpft habe. Das hat mich zu einem sehr selbstständigen Schüler werden lassen. Eine gesunde Selbstmotivation ist besser als Coaching und Nachhilfe.

Halten Sie davon gar nichts?
Für manche Schüler, die sich schwer tun, ist Nachhilfe punktuell von Vorteil. Die Gefahr ist aber, dass man zu bequem wird, weil einem der Nachhilfelehrer ja nachmittags eh noch mal alles persönlich und vielleicht besser erklärt. Also: Nachhilfe ja, aber mit Freiräumen und nur punktuell, damit man auf eigenen Füßen steht.


Anschauliche Tipps und Tricks für ein erfolgreiches Bestehen des Gymnasiums für Schüler und Eltern gibt es in Rainer Ammels neuem Buch "Gute Noten ohne Stress", Heyne-Verlag, 9,99 Euro.

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