Rätsel um den Springbrunnen im Hinterhof
Liegen hier die sterblichen Überreste von Peggy aus Lichtenberg? Ein alter Abwasserkanal wird nun genauer untersucht
LICHTENBERG Sie graben mit schwerem Gerät, unterstützt vom Technischen Hilfswerk. Lkw für Lkw wird der Aushub fortgeschafft. Zwei Meter tief ist das Loch, da stößt der Bagger ins Leere: ein Hohlraum. Bei der Suche nach der Leiche der seit zwölf Jahren vermissten Peggy ist die Polizei in Lichtenberg am Dienstag auf einen alten Abwasserkanal gestoßen, der genauer untersucht werden sollte – bis zum Abend lag allerdings noch kein Ergebnis vor.
Im Visier der Fahnder: ein Frührentner, der wegen Missbrauchs zweier Mädchen eine mehrjährige Haftstrafe abgesessen hat. Sein Auto wurde beschlagnahmt, er selbst wird seit Montag von der Polizei befragt. Beamte durchsuchen fieberhaft sein Haus am Marktplatz. Sie reißen den Kellerboden auf. Und den Hinterhof.
Dort steht ein Springbrunnen, über den sich die Anwohner schon lange wundern. Ein Nachbarmädchen erzählt, der Besitzer des Anwesens habe kurz nach Peggys Verschwinden den Hof betoniert und gepflastert. „Ganz allein.“ Dann habe der Frührentner den weißen Springbrunnen mit Engelsfigur aufgestellt. „Aber er ist nie gelaufen.“ Jetzt schürfen dort die Bagger. Ein Leichenspürhund wartet auf seinen Einsatz. Gleichzeitig finden in Mittelfranken und Thüringen Durchsuchungen statt.
Die neunjährige Peggy war 2001 spurlos verschwunden. Obwohl ihre Leiche nie gefunden wurde, verurteilte das Landgericht Hof 2004 den geistig behinderten Gastwirtssohn Ulvi Kulac wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Seitdem lebt er in der Forensischen Psychiatrie im Bezirksklinikum Bayreuth. Viele in Lichtenberg sind überzeugt, dass der Richterspruch ein Skandal war.
Auch Ulvis Anwalt Michael Euler hält ihn für unschuldig. Er hat beim Landgericht Bayreuth einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. „Findet man die Leiche, ergeben sich womöglich Spuren zum wahren Täter. Das würde den Antrag noch plausibler machen“, sagt er.
Allerdings sitzt Ulvi nicht nur deshalb in der Psychiatrie, weil er angeblich Peggy ermordet hat – was er bestreitet. Er hat sich auch an mehreren Kindern aus dem Dorf vergangen – was er zugibt. „Doch ohne den Mord-Vorwurf müsste mein Mandant hinsichtlich seiner Gefährlichkeit für die Öffentlichkeit neu bewertet werden. Dann käme eine Unterbringung auf Bewährung in Frage“, sagt Euler. Das würde bedeuten: Ulvi dürfte das Klinikum unter Auflagen verlassen. „Aber“, sagt Michael Euler zum Schluss, „so lange keine Leiche gefunden wird, ändert sich auch nichts.“