Quietscheente und wendiger Halbgott

BAYREUTH - Christian Thielemanns Bayreuther „Ring“: Auftakt-Triumph mit Wagners „Rheingold“
Schon auf dem Weg vom Bayreuther Bahnhof zum Grünen Hügel beginnt in einem Vorgarten das „Wagnerle-Theater“: Auf der Puppenbühne mit DoppelspitzenPorträt zielt ein Papierschütze auf Lohengrins Quietscheenten-Schwan, im Gebüsch daneben hält ein bebrillter Herr ein Schild hoch: „WIR STREIKEN vielleicht...“ Man kann den Mythos Bayreuth also auch mit Humor nehmen.
Ganz im Gegensatz zum Dramatiker und Hobby-Regisseur Tankred Dorst, der 2006 Wagners „Der Ring des Nibelungen“ als buchstabengetreuen Stehempfang inszenierte. Im „Rheingold“-Auftakt dürfen sich nur Andrew Shores quecksilbriger Zwerg Alberich im Lurch-Kostüm und Arnold Bezuyens lyrischer, auch körperlich enorm wendiger Halb-Gott Loge bewegen. Sie stehlen Albert Dohmens etwas angestrengt wirkendem Wotan und dessen Gattin Fricka (Michelle Breedt) die Show. Daneben glänzt vor allem Kwangchul Youns Riese Fasolt mit mächtigem, in den Gefühlslagen herrlich differenzierten Bass.
Uneingeschränkt wurde Nürnbergs Ex-Generalmusikdirektor Christian Thielemann und sein Festspiel-Orchester bejubelt. Der in München als Philharmoniker-Chef frisch abgesägte Thielemann legt packend und frei von Effekthascherei die musikdramaturgische „Rheingold“-Struktur frei. Zwar hätte das Es-Dur-Wallen für einen Ur-Beginn etwas leiser starten können, auch patzten die Bläser gelegentlich. Aber dann timt Thielemann die Generalpausen perfekt, hebt die entscheidenden Sänger-Momente aufs Klangtablett, lässt die Schlüsselmomente verständlich werden; Klangrausch und Erkenntnis halten sich die Waage. Wie in den Verwandlungsmusiken bei geschlossenem Vorhang Breitwandsound und Ambossgehämmer perfekt überblenden, ist bildgewaltiger als jede Dorst-Szene.GK