Quelle-Schande: Psycho-Terror gegen die letzten Mitarbeiter

Wer nicht spurt, der fliegt: Die Verkäufer müssen lächeln, dürfen „nicht herumstehen und mit Journalisten reden“. Ansonsten nämlich übernehmen Zeitarbeiter ihre Jobs, droht die Geschäftsführung.
von  Abendzeitung
Traurige Überbleibsel der letzten Schnäppchenjagd: Die Regale im Quelle-Kaufhaus sind leergefegt. Das Personal aber soll sich weiterhin lächelnd um die Kunden kümmern.
Traurige Überbleibsel der letzten Schnäppchenjagd: Die Regale im Quelle-Kaufhaus sind leergefegt. Das Personal aber soll sich weiterhin lächelnd um die Kunden kümmern. © Klaus Schillinger

Wer nicht spurt, der fliegt: Die Verkäufer müssen lächeln, dürfen „nicht herumstehen und mit Journalisten reden“. Ansonsten nämlich übernehmen Zeitarbeiter ihre Jobs, droht die Geschäftsführung.

NÜRNBERG Obwohl sie wissen, dass in wenigen Wochen alles vorbei sein wird, halten die verbliebenen Quelle-Mitarbeiter tapfer die Stellung. Während das Traditions-Kaufhaus in der Fürther Straße einer traurigen Resterampe gleicht, mit leeren Gängen, durchwühlten Regalen und Ramschtischen, beraten die Verkäufer weiterhin vorbildlich ihre Kunden. Sie versuchen wenigstens, Ordnung zu halten. Und sie lächeln, als sei nichts geschehen...

Das Lächeln aber ist nicht selten gequält. Bei einem Recherche-Besuch vor Ort reagierten die Quelle-Mitarbeiter ablehnend: „Ich sag’ nix mehr“, „ich darf nix sagen“, „das gibt nur Ärger“, waren die Antworten eingeschüchterter Verkäufer auf Fragen zum Gemütszustand und zu den Zukunftsperspektiven.

Das Verkaufspersonal steht unter enormem Druck: „Wir sind einem regelrechten Psychoterror ausgesetzt“, berichtet Mitarbeiterin Marianne F. (Name geändert). Immer wieder streife der Noch-Geschäftsführer Frank-Peter Grätz durch das Kaufhaus, ermahne Mitarbeiter, nicht herumzustehen, freundlich zu sein – und bloß nicht mit Journalisten zu reden. Ansonsten, laute die unverhohlene Drohung, würden sie „bei der nächsten Freistellungsrunde berücksichtigt“, berichten MarianneF. und eine bereits ausgeschiedene Kollegin, die unbedingt anonym bleiben wollen. Zynisches Manager-Deutsch, das nichts anderes sagt als: „Wer nicht spurt, der fliegt sofort!“ Und: Man könne ja auch Zeitarbeiter einstellen, die wesentlich billiger seien.

Der Geschäftsführer dementiert vehement

Gegenüber der AZ dementiert Grätz diese Vorwürfe vehement: „Das ist schlichtweg dummes Zeug!“ Er mache den Mitarbeitern lediglich klar, „dass wir gut weiterarbeiten müssen, um noch zwei Monatsgehälter zu bekommen“. Wenn nämlich jetzt kurz vor Schluss die Umsätze einbrächen, sei Quelle sogar noch vor dem 31. Dezember Geschichte.

Der Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg melde sich zuweilen, um mitzuteilen, dass wieder entlassen werden müsse, erzählt Grätz. Dann sei es an ihm, „Ross und Reiter zu benennen“. Dabei, räumt er ein, würden dann solche Mitarbeiter entlassen, deren Abteilungen ohnehin geschlossen seien. Oder solche, die „länger krank geschrieben“ sind.

Betriebsrat Ernst Sindel hält diese Aussagen für „eine Katastrophe“. Sindel: „Die Mitarbeiter gehen mittlerweile auf dem Zahnfleisch. Sie so zu behandeln – dafür gibt’s keine Rechtfertigung.“ Geschäftsführer Grätz hingegen meint: „Haben wir nicht alle psychische Probleme?“ Seine Zukunft ist immerhin gesichert: Grätz ist bereits 62 Jahre alt und wird in Rente gehen.

Für Marianne F., die erst Mitte 40 ist, ist das keine Option.

Steffen Windschall

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