Putin-treuer Oligarch im Visier: So lief die Großrazzia am Tegernsee

Rottach-Egern/München - Frühmorgens war es vorbei mit der beschaulichen Ruhe am Schorner Strandweg in Rottach-Egern. Erst schwebte eine Drohne über dem Gebiet, dann begannen Beamte des Bundeskriminalamtes mehrere Villen, die dem kremltreuen russischen Oligarchen Alisher Usmanow (69) gehören, zu durchsuchen.
Selbst das Bootshaus am Ufer des Tegernsees stellten die Ermittler bei der mehrstündigen Aktion auf den Kopf. Usmanow soll einen mehrstelligen Millionenbetrag verschoben und zudem gegen die wegen Russlands Angriff auf die Ukraine gegen ihn verhängten EU-Sanktionen verstoßen haben.
Usmanow: Drei Anwesen am Tegernsee
Gleich über drei stattliche Anwesen direkt am Ufer des Tegernsees kann Alisher Usmanow verfügen. Alle drei wurden von maskierten Beamten durchsucht. An einer weiteren Immobilie, etwas abseits vom Seeufer gelegen, waren ebenfalls Polizisten im Einsatz. Die Beamten waren bis zum Nachmittag in den Immobilien. Sie stellten Unterlagen und Beweismittel sicher.
Alisher Usmanow selbst hielt sich am Mittwoch nicht am Tegernsee auf. In einem seiner Häuser am See wurde allerdings am Dienstagabend zumindest noch Licht beobachtet. "Usmanow haben wir hier länger nicht mehr gesehen", erzählt ein Nachbar, der sich die Schadenfreude über die Razzia bei dem Russen kaum verkneifen kann. Nach Schätzungen des Forbes-Magazins wird Usmanow ein Vermögen von über 14,6 Milliarden Euro zugerechnet. Alleine die Immobilien am Tegernsee werden auf einen Wert von insgesamt 50 Millionen Euro geschätzt, sie laufen über Offshore-Firmen.
Seit Februar auf der Sanktionsliste der EU
Zuletzt, so erzählt man in Rottach, sei der Milliardär am Tegernsee gewesen, um Hausangestellte und Sicherheitspersonal auszubezahlen. Schon damals stellte sich mancher im Tal die Frage, woher Usmanow das Geld nimmt. Immerhin steht er seit Februar auf der Sanktionsliste der EU, sein Vermögen wurde eingefroren.

Wenn Alisher Usmanow früher am Tegernsee residierte, merkte das die Nachbarschaft immer recht schnell. Dann fuhren in der Forellen- und der Fischerstraße Limousinen vor. Manchmal begegneten Anwohner dem Oligarchen auch beim Spaziergang am See. "Dann waren immer fünf Bodyguards um ihn herum", erzählt ein Ehepaar, das seit zwölf Jahren in Rottach lebt. "Er grüßte immer freundlich", sagt die Frau, "aber meist blieb’s beim kurzen Hallo."
Die exquisite Küche des 5-Sterne-Luxus-Hotels "Überfahrt" hatte es dem steinreichen Russen offenbar besonders angetan. "Oft ließ er sich ganze Menüs aus dem Hotel nach Hause liefern", sagt ein Nachbar. "Manchmal hat er aber auch im Hotel Überfahrt in einer Suite gewohnt."
Verdacht auf Steuerhinterziehung
Das Luxus-Leben am Tegernsee könnte dem Oligarchen viel Ärger mit der deutschen Justiz einbringen. Spätestens seit 2016 soll er regelmäßig und für längere Zeit in Rottach gelebt haben. Dann hätte er auch beim Finanzamt Miesbach eine Steuererklärung einreichen müssen, was angeblich nicht geschehen ist. Die Staatsanwaltschaft München II verdächtigt Usmanow, Steuern hinterzogen zu haben. Die Fahnder interessierten sich deshalb besonders für Unterlagen, die verraten, wie oft und wie lange er sich am Tegernsee aufgehalten hat, aber auch für Unterlagen zu Finanztransaktionen.
Eingefrorene Gelder ausgegeben?
Wie Oberstaatsanwältin Andrea Grape bestätigte, geht es um den "Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz." Laut Ermittler soll der Russe eingefrorene Gelder ausgegeben haben, um damit die Bewachung seiner Immobilien am Tegernsee zu bezahlen. Gegen vier weitere Beschuldigte wird wegen Beihilfe ermittelt. Sie sollen als Bewacher tätig gewesen sein und dafür Geld bekommen haben.
Usmanow gilt als Unterstützer von Präsidenten Putin. Wegen der Sanktionen hatten Behörden im April die Luxusjacht "Dibar" festgesetzt. Mit rund 500 Millionen gilt sie als teuerste Jacht der Welt. Eignerin soll Usmanows Schwester sein.
Insgesamt haben am Mittwoch 250 Beamte 24 Objekte in Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hamburg durchsucht.