Prozess um Ursula Herrmann: „Lasst Werner M. laufen“
AUGSBURG - Ursula Herrmanns Bruder Michael forscht und schreibt einen Brief an das Gericht. Er ist sich sicher: Der Angeklagte Werner M. muss unschuldig sein. Er vermutet einen anderen Täter.
Eigentlich müsste Michael Herrmann froh sein. Schon 28 Jahre wird nach dem Mörder seiner Schwester gesucht. Die kleine Ursula Herrmann wurde 1981 als Zehnjährige in Eching am Ammersee entführt, sie erstickte später qualvoll in einer Kiste. Nun stehen Werner M. und dessen Frau vor Gericht. Michael Herrmann tritt als Nebenkläger auf – er ist sich sicher: Werner M. kann nicht der Täter sein!
Deshalb forderte gestern der Verteidiger Walter Rubach die Aufhebung des Haftbefehls. Es gebe nach der bisherigen Beweisaufnahme keinen dringenden Tatverdacht. Die Staatsanwaltschaft wies die Argumente als „Spekulationen“ zurück und erklärte, der dringende Tatverdacht bestehe weiter. „Der Haftbefehl muss erhalten bleiben.“
Michael Herrmann will, dass auch in Richtung Harald W. ermittelt wird
Michael Herrmann beschreibt in einem Brief an Wolfgang Rothermel, Vorsitzender Richter der Schwurgerichtskammer, warum Werner M. unschuldig sein muss. Die Untersuchungen zum Tonbandgerät, dem wichtigsten Indiz im Prozess, bezeichnet Herrmann als „unvollständig bzw. einseitig“. Das Abspielgerät TK 248 fand die Polizei 2007 bei Werner M. Es war ausschlaggebend für den Haftbefehl. Mit diesem Gerät soll der Erpresser den Eltern von Ursula Herrmann als Erkennungszeichen eine BR-Melodie vorgespielt haben. Ein LKA-Gutachten kam zu dem Schluss, dass es sich dabei „wahrscheinlich“ um das selbe Tonbandgerät handelt. Michael Herrmann forschte mit Hilfe eines Technikers beim BR nach. Sein Ergebnis: Es gibt „kein der Tätertonfolge vergleichbares B3-Signal“. Seine Vermutung: „Das Signal muss mit einem Tongenerator oder Synthesizer hergestellt worden sein.“
„Er hat sich aus Verzweiflung zu Tode getrunken“
In dem Brief geht es auch um die Kiste, in die der Täter seine Schwester gesteckt und sie dann im Wald vergraben hat. Zwischen 14 und 20 Arbeitsstunden, vermutet Herrmann, seien nötig gewesen, um das Versteck auszuheben, das Mädchen dorthin zu bringen und die Grube zu tarnen. Nur ein Jäger – die auch Erdbunker herstellen – würde sich bei einer solchen Arbeit nicht verdächtig machen, schreibt Herrmann. Jäger war Werner M. nie. Ein anderer dagegen schon: Der mittlerweile verstorbene Ex-Polizist Harald W. war zur Tatzeit Jagdgehilfe – in dem Revier „Am Weingarten“. Dort war auch die Leiche vergraben worden. Fünf Jahre lang war er Hauptverdächtiger, seine Schuld konnte nie bewiesen werden. 1995 starb er. „Er hat sich aus Verzweiflung zu Tode getrunken“, sagt sein Bruder.
Gestern blieb Michael Herrmann dem Prozess fern. Er will erst dann wieder teilnehmen, wenn auch in Richtung Harald W. ermittelt wird.Christoph Landsgesell