Prominenter Ex-Schüler der Domspatzen: „Ein sadistisches System“

Ein prominenter Ex-Schüler erhebt schwere Vorwürfe gegen die ehemalige Leitung der Regensburger Domspatzen. Benedikt XVI. fordert „ernsthafte Reinigung“.
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Will von Schlägen und Übergriffen nichts mitbekommen haben: Georg Ratzinger bei einer Probe der Domspatzen im Jahr 1989. Den Chor leitete er von 1964 bis 1994.
dpa Will von Schlägen und Übergriffen nichts mitbekommen haben: Georg Ratzinger bei einer Probe der Domspatzen im Jahr 1989. Den Chor leitete er von 1964 bis 1994.

Ein prominenter Ex-Schüler erhebt schwere Vorwürfe gegen die ehemalige Leitung der Regensburger Domspatzen. Benedikt XVI. fordert „ernsthafte Reinigung“.

Im Missbrauchsskandal um die katholische Kirche richten sich die Augen auf den Papst. „Joseph Ratzingers Zeit als Münchner Erzbischof von 1977 bis 1982 gehört zu den Jahren, um die es bei den Missbrauchsfällen geht“, sagt die Reformbewegung „Wir sind Kirche“.

Einige der erschütterndsten Vorfälle spielten sich im familiären Umfeld des heutigen Kirchenoberhaupts ab. Doch Papst-Bruder Georg sagt, er habe nichts mitbekommen von Schlägen und sexuellem Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen.

„Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Wiesner will wissen: „Hat der damalige Münchner Erzbischof von solchen Übergriffen Kenntnis gehabt?“ Und falls ja: Wie ist er damit umgegangen?

Heute gibt sich der Vatikan aufklärungsbereit. Der Papst wolle „Klarheit schaffen“, sagt Kurienkardinal Walter Kasper der römischen Zeitung „Repubblica“. Es sei „gut, dass der Papst Null-Toleranz gegenüber denen verlange, die sich mit schwerer Schuld beladen haben“. Den Opfern müsse „Gerechtigkeit widerfahren“, kirchenintern sei eine „ernsthafte Reinigung“ vonnöten. Konkreter wird er nicht. Wiesner von „Wir sind Kirche“ sagt: „Totale Offenheit ist der einzige Weg, das Vertrauen in die Amtskirche und insbesondere die Kirchenführung wieder herzustellen.“

Unterdessen werden Details der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen bekannt. Ein „ausgeklügeltes System sadistischer Strafen, verbunden mit sexueller Lust“, habe es dort gegeben. Es klingt wie ein Gewaltporno, war aber Realität im Internat der Regensburger Domspatzen. Das sagt der Komponist und Regisseur Franz Wittenbrink, selbst bis 1967 Internatsschüler.

So habe sich der Internatsleiter Z. „abends im Schlafsaal zwei drei von uns Buben ausgesucht“, schildert Wittenbrink. Z. habe die Buben „mit in seine Wohnung genommen“. Dort gab es Rotwein, und man habe „zusammen masturbiert“.

Wittenbrink, der mit seinen Liederabenden große Erfolge an den Kammerspielen feierte, sagte, es sei ihm „unerklärlich“, dass der Papst-Bruder Georg Ratzinger nichts mitbekommen haben soll. Ratzinger war von 1964 bis 1994 Chef des weltberühmten Knabenchors.

Das Bistum Regensburg hatte Freitag eingeräumt, es habe Übergriffe von 1958 bis 1973 gegeben. Bischof Ludwig Müller beeilte sich festzustellen, die Vorkommnisse seien nicht in die Amtszeit des Papstbruders gefallen. Georg Ratzinger, mittlerweile 86, bestreitet, etwas mitbekommen zu haben von Schlägen und Übergriffen. „Ich habe davon nichts gewusst“, sagte er der Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“. Allerdings spüre er in den Berichten „eine gewisse Feindseligkeit“ der Kirche gegenüber, „die Absicht, schlecht über die Kirche zu reden“. Allerdings stehe er für Befragungen zur Verfügung, sagte Ratzinger.

Anonym berichten ehemalige Schüler, Ratzinger sei cholerisch gewesen. Ratzinger, der in der Freizeit wie ein „lieber Opa“ auftrat, sei in seiner Funktion als Chorleiter „despotisch“ gewesen, habe Schüler angeschrien und sie verbal gedemütigt.

Die aktuelle Leitung der Domspatzen verweist die Vorkommnisse in das Reich der Geschichte: „Vorfälle von vor 50 oder 60 Jahren spiegeln nicht die Lebenswirklichkeit der Domspatzen wieder“, sagt Internatsleiter Rainer Schinko am Sonntag.

Matthias Maus

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