Privatsekretär von Benedikt XVI. Georg Gänswein: Posterboy wider Willen

Sogar auf das Titelblatt der italienischen Zeitschrift "Vanity Fair" hat er es bereits geschafft: Georg Gänswein mutierte 2013 kurzfristig zum Liebling des Boulevards. Einen Kirchenmann zum "George Clooney des Petersdoms" ausrufen – darf man das? Noch dazu wenn dieser Mann dem Papst nahe ist wie kein zweiter?
Georg Gänswein: Seit 1996 unverzichtbar für Benedikt XVI.
Wenn er spricht, klingt er jedoch nicht wie ein Hollywood-Star, sondern eher ein bisschen wie Wolfgang Schäuble, der ebenfalls aus Baden stammt. Geboren wurde Gänswein 1956 im Schwarzwald und wuchs dort in einfachen Verhältnissen auf. Nach seinem Studium der Theologie machte der Sohn eines Schmids Karriere in der Kirche.
In größerem Kontrast zu den eher oberflächlichen Themen des "Vanity Fair"-Magazins könnten der Werdegang und die Aufgabe Gänsweins jedenfalls nicht stehen. Schon 1996 arbeitete er für Joseph Ratzinger, der damals Oberhaupt der Glaubenskongregation war.
Und machte sich offensichtlich unabkömmlich. Als Joseph Ratzinger zum Papst gewählt wurde, blieb er an dessen Seite. Bis zu dessen Tod an Silvester.
Zeitweise ist er Diener zweier Herren – bis zum Zerwürfnis
Nach seiner Wahl zum Papst ernannte Benedikt Gänswein zum Präfekten des Kirchlichen Haushaltes. Eine Funktion, die er auch nach Benedikts Rücktritt zunächst unter Papst Franziskus weiter wahrnahm. Genau genommen hatte Gänswein zu Beginn von Franziskus' Pontifikat zwei Jobs, denn er stand nach wie vor auch Benedikt zur Seite.
Der Diener zweier Herrn zu sein, noch dazu wenn sie die ultimative Machtposition ausüben, konnte vermutlich nicht gut gehen. Im Januar 2020 beurlaubte Franziskus Gänswein von seiner Funktion als Herr über den Haushalt. Der "Bunten" sagte Gänswein, die Entscheidung habe ihn getroffen.
Hintergrund war ein Streit um ein Buch des äußerst umstrittenen Kardinals Robert Sarah gewesen. Darin war auch ein Beitrag von Benedikt abgedruckt. Irrtümlich entstand der Eindruck, Benedikt sei Mitautor gewesen, was zu erheblicher Irritation im Vatikan führte. Man konnte den Vorfall auch so lesen, dass Benedikt indirekt Franziskus kritisierte, was allerdings von allen Seiten dementiert wurde. Gänswein musste dies büßen – und abtreten.
Georg Gänswein: Ein treu ergebener Diener
Von einem treu ergebenen Diener sprechen Menschen, die Gänswein und Benedikt zusammen erlebt haben. Und durchaus zupackend: Der Privatsekretär scheute sich auch nicht, selbst am Rollstuhl mit anzupacken, als Benedikt seinen Bruder Georg einen letzten Besuch in Regensburg abstattete. Zahlreiche Aufnahmen aus Benedikts Leben gibt es, die Gänswein zeigen, wie er dessen Kragen richtet, ihm mit einer Kopfbedeckung behilflich ist oder ihn stützt.
Dass er Benedikt mit Klauen und Zähnen zumindest verbal verteidigt, hat auch die Redakteurin der Abendzeitung bei Telefonaten mit Gänswein anlässlich des Missbrauchsgutachtens der Erzdiözese München und Freising sowie seines schlechten Gesundheitszustands erfahren.
Fast schwärmerisch klingt es, wenn Gänswein von Benedikt spricht, seinen Intellekt, aber auch seinen Humor lobt. Im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" räumte er seine Betroffenheit ein, als Benedikt als Papst abtrat. Wenn auch verklausuliert: "Und der natürliche Ausdruck des Schmerzes ist, wenn es geht, dass Tränen kommen."
Doch nicht allen Menschen, die die Verhältnisse im Vatikan kennen, war die enge Bindung Gänsweins zu Benedikt geheuer. Da ist auch von Abschirmung und dem Schutz des Vermächtnisses die Rede. Unweigerlich muss man an Maike Kohl-Richter denken, die den früheren Bundeskanzler in seinen letzten Lebensjahren ebenfalls vollkommen isoliert haben soll – angeblich zu dessen Schutz.
Postbote, Skilehrer, Pilotenschein – das ist über Gänswein bekannt
Privat weiß man nur wenig über ihn. Laut der Internetseite des Klosters aus seinem Heimatort Riedern ist Gänswein sehr an Sport interessiert und begeisterter Tennisspieler. "Vor seiner Priesterweihe war er auch als Skilehrer für den örtlichen Ski-Club tätig, er besitzt einen Pilotenschein und arbeitete auch als Postbote in einem kleinen Schwarzwälder Dorf", heißt es dort.
Im August wird der 66-Jährige im Kreis Günzburg erwartet
Über Gänsweins Zukunft ist kurz nach Benedikts Tod nichts zu erfahren. Medienberichten zufolge wird Gänswein heuer noch in Bayern erwartet. Zu Mariä Himmelfahrt am 15. August soll der 66-jährige derzeit beurlaubte Präfekt des Päpstlichen Hauses als Zelebrant den Festgottesdienst am schwäbischen Wallfahrtsort Maria Vesperbild im Landkreis Günzburg leiten.
Wie es beruflich für Gänswein weitergeht, ist unklar. Schweizer Medien spekulieren, er könnte in Liechtenstein eingesetzt werden. Aber auch Bayern wäre eine Möglichkeit. Wird er etwa der Nachfolger von Ludwig Schick in Bamberg, der erst kürzlich seinen Rücktritt erklärt hat? Dann würde ein Erzkonservativer die Domstadt nach dem Reformer und Unterstützer des Synodalen Wegs vermutlich erschüttern.
Lesen Sie am Montag im letzten Teil der AZ-Serie: Benedikt und seine Kontroversen – Ein Papst, der sich einem weltlichen Gericht stellen muss.