Prinzessin aus dem Allgäu: Nina von Seborga will Mikrostaat in die Unabhängigkeit führen

Seborga – Es gab einen kurzen aufregenden Moment in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, da drohte zwischen dem Fürstentum Seborga und der Republik Italien ein ernsthafter Grenzkonflikt. Giorgio I., Fürst von Seborga und von Beruf Blumenhändler, versuchte an der Stadtgrenze höchstpersönlich, einreisende Autos zu kontrollieren.
Nina Menegatto ist seit vier Jahren Fürstin eines (noch) nicht anerkannten Fürstentums in Italien
Die Episode war allerdings schnell vorbei, bevor es ernsthaftere Verwicklungen mit dem umgebenden Italien geben konnte, schildert Giorgios Nachfolgerin Principessa Nina I. Die geborene Kemptenerin ist seit dreieinhalb Jahren gewählte Fürstin des Mikro-Fürstentums in der ligurischen Provinz Imperia und übt ihr Amt mit Überzeugung, aber auch mit Augenzwinkern aus.
"Ich glaube an die Sache", sagt Nina Menegatto, die im November 2019 von den knapp 300 Einwohnern des – noch nicht – anerkannten Mikrostaates zur Nachfolgerin ihres inzwischen geschiedenen Ehemanns Marcello I. gewählt wurde. "Die Sache" – das sind ernsthafte Argumente dafür, dass das Fürstentum Seborga nicht nach Recht und Gesetz Teil der Republik Italiens geworden ist.
Der 2009 verstorbene erste Fürst der Neuzeit, Giorgio Carbone, stöberte in mehreren Archiven des Landes und fand heraus, dass das Fürstentum Seborga im Jahre 1729 nicht wirksam an das Herrscherhaus Savoyen übertragen wurde.
"Nichts ist unmöglich": Prinzessin hofft, dass Seborga als unabhängiges Fürstentum anerkannt wird
Beim Wiener Kongress 1815 wurde Seborga demnach nicht als Teil Italiens erwähnt, auch nicht bei der Gründung des italienischen Staates und 1946 nicht im Vertrag zur Gründung der Republik Italien. In der Neuzeit soll eine italienische Richterin sogar in einer Zivilsache die Unabhängigkeit Seborgas berücksichtigt haben.
Eine Klage der seborghinischen Wahlmonarchie beim Europäischen Gerichtshof scheiterte – aus formalen Gründen, wie die Principessa betont. Jetzt arbeiten Anwälte an einem zweiten juristischen Vorstoß. Das tun sie ebenso ehrenamtlich, wie das ganze Fürstentum funktioniert: Aus eigener Tasche legen Prinzessin und Kabinett drauf. Dem gehören Minister für alle Ressorts an, die ein Land so braucht: Äußeres, Inneres, Tourismus, Wirtschaft und so weiter.
Auch ein Verteidigungsminister ist dabei. Der kann aber nur auf vier ehrenamtliche Wachmänner zurückgreifen. Es gab auch eine berittene Polizei, doch die musste wegen des Wegzugs des Pferdes nach Spanien aufgelöst werden. Das ist irgendwo Realsatire, aber auch nicht nur: "Die Leute glauben dran. Nichts ist unmöglich", sagt die Prinzessin, die einen Kindertraum lebt: "Welches Mädchen möchte nicht Prinzessin werden?"
Nina I. von Seborga: "Deutschland wird immer meine Heimat sein"
Nina Menegatto, Prinzessin aus Kempten und geborene Döbler, wohnt gleichzeitig in zwei Fürstentümern. Im 30 Kilometer entfernten Monaco geht sie ihrer Geschäftstätigkeit als Immobilienverwalterin nach. Ihre Tochter Maya (4) besucht dort die Vorschule. In Seborga widmet sich Nina I. ihrem Ehrenamt als Fürstin.
Ihre Eltern besucht die Fürstin zwei-, dreimal im Jahr. Aber zurückkehren ins Allgäu, das kommt für Menegatto nicht in Frage. Schon mit 14 Jahren hat sie die Heimat verlassen. Aber: "Deutschland wird immer meine Heimat sein", bekennt die gewählte Monarchin.
Das Fürstentum Seborga hat eine eigene Fußball-Nationalmannschaft
Ihre seborghinische Regierung residiert im "Palazzo Governo", der wiederum der Immobilienfachfrau gehört. Von dem für örtliche Verhältnisse recht stattlichen Gebäude erreicht man in wenigen Gehminuten das Rathaus, in dem die "Konkurrenz" angesiedelt ist, wie Nina augenzwinkernd die bürgerliche Dorfregierung nennt.
Man tue sich gegenseitig nicht weh, und es wird vom Fürstentum auch akzeptiert, dass auf dem bürgerlichen Rathaus eine italienische Flagge weht. Aber nur dort. Ansonsten bekennen sich die Seborghini durch das Hissen der blau-weiß gestreiften Fahne zum Fürstentum. Natürlich gibt es auch eine Hymne und sogar eine Fußball-Nationalmannschaft.
Das wichtigste Projekt: Luxushotel mit Blick auf die vier Staaten
Die Principessa ist rührig und kümmert sich um alle möglichen kleinen Attraktionen, um Besucher zu locken und die Attraktivität Seborgas zu steigern. Das funktioniert auch. Als die Kunde von einem nach Selbstständigkeit strebenden Fürstentum die Runde in der internationalen Presse machte, kamen die Touristen sogar busweise, teils aus Japan, erzählt die Regentin. Inzwischen ist der Zustrom zumindest außerhalb der Urlaubssaison etwas abgeebbt. Man sucht nach neuen Ideen.
Wichtigstes Projekt der Immobilienexpertin ist ein 80-Betten-Luxushotel, das auf dem Hoheitsgebiet von Seborga mit weitem Blick "auf vier Staaten" (Seborga, Italien, Frankreich und Monaco) entstehen soll. Übrigens kommen die meisten ausländischen Touristen des kleinsten Fürstentums Europas aus Deutschland. Neuerdings sind sogar Geldscheine mit dem Konterfei der Regentin mit eigenwilligen Werten im Umlauf: Drei "Luigini" sind 15 Euro wert – sofern man ein Geschäft findet, das sie annimmt. Konkrete wirtschaftliche und monetäre Vorstellungen für den Fall der Unabhängigkeit gibt es auch: Für völlige Steuerfreiheit wie in Monaco ist die Regierung der Principessa nicht, aber für niedrigere Steuern als in Italien.