Prinz Ludwig von Bayern über Kenia-Hilfe: "Aus dem Nichts ist ein kleiner Ort entstanden"
AZ-Interview mit Prinz Ludwig von Bayern: Der 39-Jährige ist der Ururenkel des letzten bayerischen Königs Ludwig III. und hat in der kenianischen Region Turkana die IT-Schule "Learning Lions" aufgebaut. Die Schule für Volljährige liegt in einem abgelegenen Gebiet, angrenzend an Südsudan und Äthiopien.
AZ: Herr Bayern, wie sind Sie persönlich bisher durch die Corona-Krise gekommen?
LUDWIG VON BAYERN: Das erste Jahr war ich fast komplett in Kenia. Ich habe leider selbst schon Corona gehabt - aber keinen schweren Verlauf. Ich bin inzwischen genesen und geimpft. Ich bin froh, dass ich jetzt erstmal ein Gefühl von Sicherheit habe.
Auch in diesem Jahr marschieren Sie in Ihrer Heimat Bayern 100 Kilometer in 24 Stunden für Ihre IT-Schule "Learning Lions" in Kenia - von Schloss Kaltenberg nach Hohenschwangau. Haben Sie schon trainiert?
Ich habe dieses Jahr ein bisschen trainiert. Einige Zehn-Kilometer-Märsche, auch mal einen 30-Kilometer-Marsch. Ich hoffe, dass es ausreicht. Wenn man über die 50 Kilometer einmal hinaus ist, merkt man schon, dass es für den Körper an die Grenze geht.
"Auch in Kenia herrscht etwas Corona-Chaos, was das Schuljahr betrifft"
Wer mitwandert, soll im besten Fall im Bekanntenkreis Spenden sammeln. Wie viele haben sich denn in diesem Jahr schon angemeldet?
Wir haben bisher rund 650 Anmeldungen. Mehr sollten gleichzeitig nicht auf der Strecke sein aufgrund der Corona-Regeln. Aber es gibt Teilnehmer, die sich für einen kürzeren Abschnitt angemeldet haben, und damit gibt es noch ein paar freie Plätze.
Im vergangenen Jahr sind beim Löwenmarsch über 130.000 Euro zusammengekommen. Was konnte damit angepackt werden?
Wir haben unseren IT-Campus inzwischen in Betrieb, das Hauptgebäude ist fertig und es sind auch schon die ersten hundert Schüler dort. Mehr können wir derzeit noch nicht unterbringen, wir müssen erst noch mehr Wohnraum schaffen. Im Moment sind es sechs Schüler pro Zimmer, das soll in Zukunft besser werden. Daher müssen wir noch weiter Spenden sammeln. Aber insgesamt bilden wir viele Leute aus, das Projekt in Kenia steht damit auf guten Füßen.
Im vergangenen Herbst stand auch eine digitale Mädchenschule für Jugendliche auf Ihrer Agenda. Wie sieht es damit aus?
Die ist noch im Bau. Ich hoffe, wir können sie bald eröffnen. Auch in Kenia herrscht etwas Corona-Chaos, was das Schuljahr betrifft. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, Mädchen für IT zu begeistern. Hier gibt es unglaubliches Potenzial, was allerdings oft verpasst wird. Am wichtigsten ist es, den Mädchen selbst klarzumachen, dass sie das können. Sie müssen erkennen, dass sie darin unglaublich gut sein können. Ein Problem ist leider auch, dass manche traditionsmäßig früh Mutter werden und es dann schwierig für sie wird, weiterzumachen. Deswegen bauen wir jetzt zum neuen Campus auch eine Kita, damit die Frauen, die schon Mütter sind, eine Perspektive haben.
Wie hat sich Corona insgesamt auf Ihr Projekt ausgewirkt?
Wir sind relativ gut zurechtgekommen. Wir haben erst die lange Ruhephase dafür genutzt, den Bau voranzubringen. Jetzt haben wir auch den Betrieb aufgenommen mit entsprechenden Hygiene-Konzepten. Da wir weit weg von den Großstädten sind, können wir uns gut isolieren. Wir hoffen natürlich, dass irgendwann auch die afrikanischen Länder mit genügend Impfstoffen versorgt werden. Bisher ist es eine große Ausnahme, wenn man dort geimpft ist.

Sie haben gesagt, sechs Schüler leben in einem Raum zusammen, was für afrikanische Verhältnisse nicht unüblich ist. Das Isolieren dürfte trotzdem schwierig sein, oder?
Ja, aber wir können uns eben als Campus gut isolieren. Es kommen nicht viele von außen rein und raus. Wir können die Menschen auch in Gruppen trennen, sodass sie wenig Berührungspunkte haben. Wir haben zudem Schnelltests.
"Mit unserem Projekt können Talente aus ihrer Heimat heraus in der ganzen Welt arbeiten"
Kenia hatte zeitweise einen sehr harten Lockdown. Wie geht es den Menschen vor Ort?
Besonders schwierig war es tatsächlich für die Schulkinder. Es ist schon nahezu tragisch, wenn man in ländliche Regionen schaut, in denen Stammeskultur noch verbreiteter ist. Was ich an sich etwas Schönes finde, aber es sind immer auch traurige Seiten dabei. Stichwort: frühe Verheiratung. Das kann man nur stoppen, wenn man die Mädchen in die Schule bringt. Durch den Lockdown mussten viele wieder nach Hause, und ich beobachte, dass in den vergangenen zwei Jahren viele von ihnen verheiratet wurden und teils auch schon schwanger sind. Es wird schwer, diese zurück in die Schule zu holen. Das ist für mich einer der traurigsten Aspekte der Corona-Pandemie in Kenia.
Ein positiver Effekt könnte für Ihr Projekt dagegen sein, dass sich vieles noch mehr ins Internet verlagert. Ihre IT-Auszubildenden bieten unter anderem Webseiten als Dienstleistungen an.
Ich glaube, es ist für die gesamte Vernetzung von Menschen eine große Chance. Es ist nun durchaus vorstellbar, dass eine junge Kenianerin oder ein Kenianer bei uns sitzt, aber gleichzeitig online ein Praktikum in Deutschland macht. Die Wirtschaft könnte so Arbeitskräfte in anderen Ländern nutzen, ohne sie ihrer Heimat zu entreißen. Viele afrikanische Länder litten in der Vergangenheit daran, dass die besten Talente ihr Zuhause verlassen haben. Mit unserem Projekt können sie aus ihrer Heimat heraus in der ganzen Welt arbeiten. Ich sehe auch noch weitere Chancen.

Welche?
Impfstoffe zum Beispiel. In der Erforschung sind durch die von Corona getriebene Entwicklung nun aktuell auch Vakzine gegen Malaria. Das wäre ein riesiger Vorteil für den Kontinent.
Brauchen Sie für Ihr Projekt auch Spenden im Hygiene- und Gesundheitsbereich?
Wir bauen auch eine neue Gesundheitsstation in die Nähe unseres Campus, wofür man auch jederzeit spenden kann.
Wenn man die 100 Kilometer nicht mitgehen kann oder will, kann man also Ihr Projekt trotzdem unterstützen?
Sehr gerne! Man kann sich zum Beispiel auf unserer Internetseite einen Teilnehmer aussuchen - dort sind alle aufgelistet - und dann auf dessen Startnummer spenden.
"2019 hat sich ein Paar beim Löwenmarschen kennen- und liebengelernt"
Über welche Themen würden Sie gerne beim Löwenmarsch sprechen?
Es finden sich beim Marsch immer Gesprächsthemen. Ich erzähle natürlich gern über Afrika und die Projekte. Im Unterschied zu einem Marathon geht man beim Löwenmarsch immer ein Tempo, bei dem man sich bequem unterhalten kann. Und 24 Stunden Zeit hat man auch. Es gibt sogar ein Paar, das sich 2019 beim Löwenmarsch kennengelernt hat und mittlerweile verheiratet ist.
Was werden Sie definitiv auf die Wanderung mitnehmen?
Ein Regencape, fünf Paar Socken, eine Nachtausrüstung, Lampe, Trinkflasche und eine Reservebatterie zum Handyaufladen - falls man doch mal eine Abzweigung verpasst.
Weil momentan sowieso oft so viel Negatives vorherrscht, zum Schluss: Was war denn Ihr schönstes Erlebnis während der Krise?
Es hat mich sehr gefreut zu sehen, wie aus dem Nichts ein kleiner Ort in der Wüste entsteht. Wie wir in kürzester Zeit einen tollen Campus gebaut haben, wo vorher nichts war. Mit eigenem Strom, mit Wasser, mit eigener Landwirtschaft.
