Piloten fliegen kostenlos kranke Kinder: "Flying Hope" – auch in Bayern
München/Düsseldorf - Das Schicksal eines kleinen Passagiers hat Alexander Klein (55) aus dem Landkreis Miesbach besonders nachhaltig zu denken gegeben. Die Welt des Buben war heil - bis zu einem fatalen Unfall: Das Kind sei mit einem Kettcar verunglückt, erinnert sich der 55-Jährige. Ab diesem Moment, ab diesem Tag nahm das junge Leben einen anderen Weg. Der Bub war gelähmt.
"Man realisiert: Das Leben kann von einem auf den anderen Tag ein ganz anderes sein", sagt Hobby-Pilot Klein. "Das gibt einem schon zu denken."
Keine Notfall-Flüge
Das Piloten-Netzwerk "Flying Hope" mit Sitz in Düsseldorf hat über Jahre dazu beigetragen, dass der Patient immer wieder zu Entlastungsaufenthalten von Kassel nach Bremen gebracht wurde. Ohne strapaziöse, stundenlange Anreise.
"Flying Hope" besteht seit 2010. Auf der Homepage heißt es: "Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der kostenlose Flüge für Kinder vermittelt, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind und selbst nicht die notwendigen finanziellen Mittel haben."
Es handelt sich dabei nicht um Notfall-Flüge, sondern um Transporte zu medizinischen Behandlungen oder Kuraufenthalten, "die weit von ihrem Wohnort entfernt sind".
Von Straubing nach Rostock
Allein im Jahr 2022 hat "Flying Hope" (zu Deutsch: Fliegende Hoffnung) nach eigenen Angaben über 100 Flüge durchgeführt. Erst vor wenigen Tagen hob etwa die kleine Mona (6) von Hamburg nach Oberpfaffenhofen ab - und nach dem Klinikaufenthalt in München ging es wieder zurück.
Gelistet werden zig weitere Transporte anderer schwerkranker Kinder quer durch Deutschland. Zum Beispiel von Aschaffenburg zur Reha an die Nordsee. Oder von Straubing nach Rostock.
Kinder fallen oftmals durchs Raster
Möglich sei all das nur, weil die Piloten "ihre Zeit und ihre Flugzeuge" kostenlos zur Verfügung stellten. Alexander Klein hat selbst kein Flugzeug, chartert für die Einsätze eine Maschine und übernimmt die Kosten dafür. Oben drauf kommt noch die Zeit, die er für das Ehrenamt freischaufelt, obwohl er als Geschäftsführer berufstätig ist.
Er klingt im Gespräch bescheiden, will sich mit dem Ehrenamt nicht profilieren. Er habe sich dafür entschieden, weil diese Kinder aus seiner Sicht bei normalen Krankentransporten oftmals durchs Raster fielen - sei es aufgrund der Distanz oder ihrer Beschwerden.
Der Flug zaubert so manchem Patienten ein Lächeln ins Gesicht
Er nimmt Erleichterung und Freude bei den Familien wahr. Das Fliegen sei für solche, die es noch bewusst wahrnehmen könnten, zudem eine Besonderheit in "einer furchtbar schwierigen Situation". Nicht alle könnten zwar reagieren, aber durchaus erkenne er auch immer wieder ein Lächeln bei den Patienten.

Klein sagt: "Man freut sich auf der einen Seite, dass man der Familie etwas Gutes tun, ein bisschen Freude und Erleichterung bereiten konnte, aber fast immer ist es auf der anderen Seite auch ein schweres Päckchen, wenn man das Leid sieht. Das schüttelt man nicht so schnell ab." Seine Erkenntnis: "Man wird geerdet und man kann nur große Dankbarkeit fühlen, dass einem selbst so ein Schicksal nicht widerfährt."
Zeit und Geld fürs Ehrenamt: "Jawohl!"
Ein langjähriger "Flying-Hope"-Kollege und Teil des Vorstands ist Georg Kraus (59) aus Bruchsal bei Karlsruhe. Er ist Unternehmensberater und seit 2022 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Philosophie in München. Das Fliegen ist sein Hobby, wie er sagt. Durch "Flying Hope" wird das mit einem guten Zweck verknüpft. Einige Hundert Flüge hat er ehrenamtlich schon absolviert, schätzt er. Häufige Destinationen: Spezialkliniken.

Er zählt auf, woran die kleinen Passagiere zum Beispiel litten. Etwa an Zerebralparese. Das bedeutet, dass sich das Gehirn beim Baby nicht richtig ausgebildet hat oder geschädigt wurde. Auch Kinder, die keinen Darm entwickelt hätten, hat Kraus schon geflogen. In Rostock etwa gebe es dafür eine Spezialeinrichtung.
In Hamburg wiederum sei man spezialisiert auf Kinder ohne Wirbelsäule - all diese Beispiele zeigen, wie schwerwiegend die Erkrankungen der Fluggäste sind. Kraus nennt sie bewusst "besondere Kinder". Ihn motiviert es, "den Kindern etwas Gutes zu tun und die Strapazen einer längeren Reise zu ersparen".
Patienten bleiben in der Erinnerung
Gleichzeitig profitieren davon auch die Eltern, die es ebenfalls nicht einfach hätten. Manches Mal flögen die Geschwister der Patienten mit, für sie sei der Flug ebenfalls eine kurze Ausflucht aus dem Alltag, hat er wahrgenommen.
Der 59-Jährige hat ein eigenes kleines Flugzeug, sechs Personen haben darin Platz. Er stellt es kostenlos zur Verfügung und auch seine Zeit. "Jawohl", sagt er dazu ohne viel Aufhebens. "Das ist ja die Idee des Ehrenamtes."
Und: "Wir bemühen uns, jeden Flug möglich zu machen." Seinen nächsten Termin hat er am Freitag im Kalender stehen. Vielleicht werden es sogar zwei an einem Tag, das ist noch in Abstimmung. Auch er hat Patienten, die ihm in Erinnerung bleiben: "Letztes Jahr hatte ich einen Jungen, er war etwa 14 Jahre alt und hatte Hautkrebs im Endstadium. Leider. Ich habe ihn in ein Hospiz geflogen, in dem er 14 Tage später gestorben ist."
"Mehr kann ich nicht machen"
Die Situation ist oft ausweglos, da macht sich auch Kraus nichts vor. Er sagt: "Ich versuche, ihnen eine gute Zeit während des Flugs zu vermitteln. Mehr kann ich nicht machen."
Ein anderes Mädchen habe er regelmäßig von Stuttgart nach Hamburg befördert.
Ihm fehlte die Wirbelsäule. Anstelle dessen hatte es ein Drahtkonstrukt, das regelmäßig nachjustiert werden muss, wenn das Kind wächst. "Mit dem Auto oder Zug geht das gar nicht, sie kann nicht länger als eine Stunde sitzen." Sie sei eine begnadete Zeichnerin und habe ihm immer wieder schöne Bilder geschickt. Ein besonderer Dank für einen besonderen Flug.
Infos zu "Flying Hope":
"Flying Hope" informiert: "Wenn medizinisches Equipment wie Sauerstoff, Ernährungspumpe, Monitor oder ähnliches mitgenommen werden muss, bedarf es vorher einer genauen Abstimmung mit der Geschäftsstelle über Größe und Gewicht." Vor jedem Flug wird ein ärztliches Attest über die Flugtauglichkeit des Kindes benötigt, heißt es weiter. Mehr Informationen über "Flying Hope": flyinghope.de sowie weitere Schritte zu einem Flug: https://flyinghope.de/helfen/werde-fluggast/flyinghope.de
Auch Spenden kann man für das Netzwerk:
Flying Hope e.V.
Stadtsparkasse Düsseldorf
IBAN:
DE 33 3005 0110 1005 6732 13
BIC: DUSS DEDDXXX
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