„Pfeifen wir auf das ganze Gemecker der prüden Greise!“

NÜRNBERG - Der Hans-Sachs-Chor bereitet Orff und Schnittke vor – mit vier Steinways, „Brüstlein“ und Zepter.
Da hätte selbst Beate Uhse entzückt nach der Stimmgabel gegriffen: „Pfeifen wir auf das ganze Gemecker der prüden Greise“, schrieb der mit „O Fortuna“ auch in der Werbungswelt unsterblich gewordene Carl Orff in seine Partitur zu „Catulli Carmina“. Dieses 45-minütige Nachfolge-Werk der unverwüstlichen „Carmina burana“ will nicht weniger sein als „eine Parabel von der Allgewalt des Eros“ und stellt die Sinnlichkeit im verbalen Generationssprung derer, die alles vor bzw. hinter sich haben, zur Debatte. Dazu wird am 10. Mai vom Hans-Sachs-Chor in der Meistersingerhalle ein „Requiem“ des deutsch-russischen Komponisten Alfred Schnittke aufgeführt, der das als Bühnenmusik zu Schillers „Don Carlos“ einst in Moskau schrieb. An- und aufregender, in dieser besonderen Kombination von unerwartetem Lustgewinn und ergreifender Gefühlstiefe, kann ein Chorkonzert wohl gar nicht programmiert werden.
Der aktuelle Nürnberger Förderpreisträger Julian Christoph Tölle grenzt sich und seinen Chor (der neben Händels „Messias“ und Elgars „The Apostles“ in nächster Zeit auch Mendelssohns „Sommernachtstraum“ mit Christof Pricks Philharmonikern und Holsts „Die Planeten“ mit Alexander Shelleys Symphonikern plant) scharf ab vom Beliebigkeits-Profil der singenden Konkurrenz. Bis zu Webbers „Requiem“ ist er auch gegangen, der geistlichen Übung von Paul McCartney, die der Philharmonische Chor unter Gerhard Rilling jetzt am 17. Mai präsentiert, hat er sich veweigert.
Inzwischen kommt Anerkennung von auswärts. Die Londoner Elgar-Society registrierte, dass der HSC mit Edward Elgars „The Apostles“ für März 2010 plant und damit „als einziger Chor in Deutschland dessen drei große Oratorien aufführt“. Die Briten haben Unterstützung signalisiert. Ebenso der Vorstand der Schnittke-Gesellschaft, der am Sonntag zur „Requiem“-Aufführung anreist. Fürs ebenfalls nur selten zu hörende Orff-Stück von 1942, in Nürnberg vor langer Zeit sogar als Ballettaufführung zu sehen, das der bayerische Musiker mit dem Hang zur rhythmischen Wucht alter Sprachen in den 1950er Jahren mit „Carmina burana“ und „Trionfo di Afrodite“ zu einem Triptychon zusammenfasste, werden vier Steinway-Flügel und Dutzende Schlagwerke aus ganz Deutschland auf die Bühne der Meistersingerhalle gewuchtet. Die taktgebunden zuckende Körpersprache des Chors mag der Zuschauer dann gerne auch als Hinweis auf erotische Bewegungen verstehen. Im Programmheft kann er dazu die bedingt körpernahe deutsche Übersetzung der lateinischen Gesänge vom „Zünglein“ übers „Brüstlein“ bis zu jener Stelle mitlesen, wo die Mädchen „O dein Zepter, Zepter, Zepter“ singen, was die Jünglinge zumindest einmal mit „Schwänzchen“ entmystifizieren. Was die Meistersingerhalle im roten Abglanz der Gesichter erstrahlen lässt. D.S.